Ein Novemberabend, ruhig, ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Pünktlich um 00:00 Uhr am 3. November 2020 sollte in Österreich der sogenannte „leichte Lockdown“ beginnen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Laut der neuen Regelungen, die in der Nacht des 3. November in Kraft traten, war es verboten, nach 20:00 Uhr sein Haus zu verlassen, sofern keine lebenswichtigen Gründe vorlagen.
Alle Cafés, Restaurants und Unterhaltungstätten in Österreich mussten während des „leichten Lockdowns“ vollständig schließen. Aus diesem Grund wollten die Bewohner und auch die Besucher Wiens den letzten Abend der Freiheit in vollen Zügen auskosten: Alle Cafés und Restaurants waren überfüllt, selbst an den Tischen auf den Bürgersteigen gab es nicht genügend Sitzplätze und auf den Straßen herrschte rege Betriebsamkeit.
Offensichtlich beschloss auch ein Terrorist, diese Situation auszunutzen
Den ersten Berichten der Wiener Polizei zufolge wurden gegen 20:00 Uhr gleichzeitig an sechs nahe beieinanderliegenden Orten Schüsse von mehreren Kriminellen abgefeuert; Eine große Anzahl von Menschen wurde schwer verletzt, eine Person starb.
Die Schüsse fielen auf jener Straße, an der sich auch die Hauptsynagoge Wiens befindet. Als erstes wurde daher vermutet, dass der Anschlag der Synagoge oder den Besuchern der Bar nebenan galt. Später stellte sich jedoch heraus, dass die Synagoge zum Zeitpunkt des Terroranschlags geschlossen war.
Die Polizei forderte die Wiener Bevölkerung dazu auf, Häuser nicht zu verlassen und wenn möglich, alle öffentlichen Plätze zu meiden.
Personen in der Innenstadt, die sich zu diesem Zeitpunkt an ihren Arbeitsplätzen (Büros, Geschäften usw.) oder in ihren Häusern im betroffenen Stadtgebiet befanden, wurden angewiesen, vorerst nicht herauszugehen. Alle Lichter sollten geschlossen und das Licht ausgeschaltet werden.
Als die erstaunten Zuschauer, die in der Wiener Oper zur Zeit des Beginns des „leichten Lockdowns“ beobachtet, mussten nach dem Polizeieinsatz mehrere Stunden unter Polizeischutz im Auditorium verbringen. Um die dort festsitzenden Menschen abzulenken, gaben die nicht weniger angespannten Musiker der Wiener Oper ein weiteres Konzert.
Währenddessen wurde das gesamte Stadtzentrum abgeriegelt. Die U-Bahn hielt nicht an Haltestellen im Zentrum und in der ganzen Stadt entsendeten Hunderte Polizisteneinheiten. Die zentralen Bereiche der Stadt wurden von Dutzenden Hubschraubern überwacht.
Das österreichische Bundesheer kam der Polizei bei den Einsatz der Großstädte mit der Entsendung von Sondereinheiten wie dem Jagdkommando zu Hilfe.
Das berichteten Augenzeugen über die schrecklichen Ereignisse
Rabbi Shlomo Hofmeister, der in der Nähe der Hauptsynagoge wohnt, sagte: „Ich beobachtete die ganze Zeit vom Fenster aus. Die Gebäude mindestens 100 Schüsse abgegeben.“ Sie schossen „auf Leute, die auf der Straße saßen“. Einem anderen Augenzeugen zufolge, der seine Beobachtungen dem österreichischen Rundfunk und Fernsehen schilderte, „begann ein bewaffneter Verbrecher wahllos auf Gruppen von Menschen zu schießen, die an den Tischen saßen. Es sah aus wie Feuerwerkskörper, dann wurde uns klar, dass es Schüsse waren.“ Der Student Chris Zhao war ein Internationaler in der Straße, wo die ersten Schüsse fielen. Er bestätigt, dass Dutzende Schüsse gleichzeitig abgefeuert wurden. So sagte Zhao der BBC, er habe „kurz nach 20:00 Uhr 20 bis 30 Feuerwerkskörper“ gehört.
Bella war ursprünglich mit ihrer Familie vor dem Tschetschenienkrieg nach Österreich geflohen und hatte am Abend des Anschlags mit einer Freundin beschlossen, im Zentrum von Wien ein Restaurant zu besuchen: „Als meine Freundin und ich uns trafen und gerade in ein Restaurant gehen wollten, fielen plötzlich Schüsse ganz in der Nähe. Die Leute rannten in verschiedene Richtungen. Viele Polizisten tauchten auf. Wir flüchteten in ein Restaurant und versteckten uns im Keller. Niemand wusste wirklich, was draußen gescha wohin wir sie bringen sollten! Schließlich wusste keiner von uns, wo diese Verbrecher waren“, erinnerte sich der österreichische Strafverfolgungsbeamte.
Ich möchte Ihnen von der großen Hilfsbereitschaft erzählen, die die Wiener Bevölkerung Betroffenen gegenüber in jener Nacht zeigte. Über soziale Netzwerke boten viele Bewohner denjenigen eine Unterkunft an, die aufgrund des Angriffs oder der Polizeisperren nicht nach Hause kommen konnten. Die Internetnutzer gaben öffentlich ihre Kontaktdaten bekannt, damit diejenigen, die Schutz brauchten, Kontakt mit ihnen aufnehmen konnten. Während der langen Novembernacht haben außerdem „Wiener Taxifahrer, von denen die meisten einen Migrationshintergrund besitzen, Opfer und Augenzeugen des Terroranschlags kostenlos nach Hause gefahren», schreibt eine der russischen Zeitungen, deren Korrespondent in Wien war.
Aus glaubwürdigen Quellen, darunter die Polizei sowie führende Landeszeitungen, ging hervor, dass am Abend des 2. November 2020 insgesamt fünf bis acht Terroristen mehrere Terroranschläge in der Hauptstadt verübt hatten. Diese Informationen wurden in den ersten Stunden nach den Ereignissen im Internet veröffentlicht.
Die Informationslage erweitert sich schrittweise
Bereits um 6 Uhr morgens des 3. Novembers gab der österreichische Innenminister, Karl Nehammer, bekannt, dass alle Terroranschläge am 2. November von einem einzigen Verbrecher durchgeführt wurden – einem Anhänger des sogenannten Islamischen Staates, der von einem der Polizisten getötet wurde. Gleichzeitig fügte der Politiker hinzu, dass „die Anwesenheit anderer Krimineller nicht ausgeschlossen werden kann». Der Innenminister ging nicht näher darauf ein, wie es einem einzelnen Terroristen gelungen war, an sechs Stellen gleichzeitig das Feuer zu eröffnen. Nach Aussagen des Ministers waren drei Menschen den Anschlägen zum Opfer gefallen. Einige Stunden später folgte eine Richtigstellung, laut der es insgesamt doch fünf Tote seien und es sich bei einem vonihnen um einen Verbrecher handele.
Nach langwierigen Ermittlungen konnte schließlich die Identität des Terroristen festgestellt werden: Der mutmaßliche Attentäter wurde vor 20 Jahren in einer Kleinstadt nahe Wien als Sohn einer albanischen Familie aus Nordmazedonien geboren. Seine gesamte Jugend verbrachte er in Wien, nachdem die Familie dorthin umgezogen war. Der österreichischen Polizei war er schon länger bekannt gewesen, da er zu 90 österreichischen Islamisten gehörte, die in Syrien auf der Seite des Islamischen Staates kämpfen wollten. Hierfür wurde er zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt, jedoch vorzeitig freigelassen, da die Polizei den Täter als „unfähig ansah, eine echte terroristische Handlung zu begehen».
Die österreichische Polizei ermittelt weiter.