Foto: Kirill Sykow (Кирилл Зыков), Symbolbild
Hitzige Debatten in Italien wegen eines Festival-Auftritts: Nachdem die Region Kampanien ein Konzert des Star-Dirigenten im Barockschloss von Caserta bei Neapel angekündigt hat, fordern Regierungsvertreter und Aktivisten nun die Absage des Auftritts – der Präsident der Region verteidigt das Engagement.
Seit Tagen fordern Aktivisten aus der russischen Exil-Opposition und deren italienische Mitstreiter das Canceln des Konzerts unter der musikalischen Leitung des russischen Star-Dirigenten Waleri Gergijew.
Da er als Kreml-nah gilt und sich zum russischen Einmarsch in der Ukraine nicht äußert, dürfe er weiterhin in Europa nicht auftreten, lautet die Forderung. Vor Beginn des Ukraine-Krieges leitete Gergijew die Wiener und die Münchner Philharmoniker. Nach wie vor gilt er als einer der bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart.
Doch das politische Zerwürfnis zwischen Russland und Westen hat Gergijew sämtliche Posten in Europa und den USA gekostet. Zwar steht er nicht auf der EU-Sanktionsliste, dennoch sind seine Auftritte im Westen unerwünscht. Eine Ausnahme von dieser Regel könnte das Konzert am 27. Juli im Rahmen eines Musikfestivals in der königlichen Residenz von Caserta werden. Gergijew soll als Dirigent des Philharmonischen Orchesters des ‘G. Verdi’-Theaters von Salerno Stücke von Verdi, Tschaikowski und Ravel spielen. Auch Solisten des von ihm geleiteten Mariinski-Theater werden bei dem Konzert auftreten.
Eingeladen hatte den russischen Künstler der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca. In seinen Presse-Auftritten verteidigt er das Engagement nicht weniger energisch, als seine Gegner es angreifen. «Kultur ist ein Instrument, um einen Dialog offenzuhalten, auch mit denen, die nicht so denken wie wir», erklärte er in einer Mitteilung in den sozialen Medien. Neben Gergijew sei auch der israelische Dirigent Daniel Oren eingeladen. «Wir erwarten von diesen Kulturschaffenden nicht, dass sie sich für die politischen Entscheidungen der Regierungen ihrer jeweiligen Länder verantworten“, so De Luca.
In Rom und Brüssel sieht man die Situation anders. Viele hochrangige italienische Politiker haben sich gegen den Auftritt des russischen Dirigenten ausgesprochen, darunter Pina Picerno, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, die Gergijew unterstellte, Putins „persönlicher Gesandter“ zu sein. Der italienische Außenminister Antonio Tajani vertrat eine ähnliche Ansicht. Auch das italienische Kulturministerium stellte sich gegen das geplante Konzert, indem es vor „politischer Propaganda“ vonseiten Moskaus warnte.
Am 19. Juli fanden in Rom, Mailand und Neapel Protest-Kundgebungen gegen Gergijew statt. Videos zufolge, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, haben sich in Mailand bis zu 50 Personen versammelt, viele waren in ukrainische und georgische Flaggen eingehüllt. In den Händen hielten sie Plakate in englischer und italienischer Sprache: „Gergijew ist das Gesicht von Putins Krieg“.
Doch das Konzert absagen können formell nur die Veranstalter. Dass dies bis jetzt nicht geschehen ist, liegt auch an der Haltung des künstlerischen Leiters des Festivals Antonio Marzullo. Er bekräftigte die Einladung Gergijews. Er habe zwar «höchsten Respekt vor Nawalnys Witwe», aber das Konzert werde stattfinden. Es sei «ein Geschenk an die Musik, nicht an Putin», zitierten italienische Medien den Musikveranstalter.
Es ist jedoch nicht mehr sicher, dass der russische Dirigent in der Tat nach Italien kommt. Laut einem Medienbericht erwägt Gergijew die Absage seines Konzerts im Schloss von Caserta. «Nach dem politischen Eklat um das Konzert, organisiert und finanziert von der süditalienischen Region Kampanien, könnte der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehende Musiker auf den Auftritt verzichten», heißt es.

