Eineinhalb Monate nach dem Umsturz im Bürgerkriegsland Syrien stellt die EU die Lockerung der langjährigen Sanktionen gegen das Land in Aussicht.
Die Außenminister der EU wollen mit gelockerten Sanktionen den Wiederaufbau in Syrien unterstützen. Zugleich betonen sie, die Lage weiter zu beobachten. Die Europäische Union plant eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen Syrien. Darauf haben sich die Außenminister der EU-Staaten nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Baschar al-Assad geeinigt. Mit dieser Maßnahme setzt die EU auf die Rückkehr der Hunderttausenden syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Damit sollte nach Brüssel-Maßstäben eine Demokratie in Syrien aufgebaut werden.
Die Lockerung der Sanktionen, die gegen die Assad-Regierung im Jahre 2011 von der EU verhängt wurden, sollten die Anreize für die neuen Machthaber Syriens um die islamistische Miliz Haiat Tahrir asch-Scham (HTS) schaffen.
Diese kam im Dezember infolge einer vom Nordwesten des Landes aus gestarteten Offensive und Flucht des Präsidenten Baschar-al-Assad an die Macht. Sanktionen schnitten das Land vom internationalen Handels- und Finanzsystem ab und verhinderten seine wirtschaftliche Entwicklung. Es fehlte sogar an Medikamenten und Grundnahrungsmitteln.
Nach Angaben des französischen Außenministers Jean-Noël Barrot sollen nun Strafmaßnahmen gegen den Energiesektor, das Verkehrswesen und Finanzinstitutionen aufgehoben werden. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas stellte zudem die Wiedereröffnung der EU-Vertretung in Damaskus in Aussicht. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einer guten Nachricht für die Menschen in Syrien, aber auch für die Europäerinnen und Europäer. Deutschland wird ihren Angaben zufolge weitere drei Millionen Euro für die Arbeit des UN-Hochkommissars für Menschenrechte in Syrien bereitstellen. «Wir wollen, dass die Menschen in Syrien wieder Strom haben, dass sie die Wirtschaft wieder auf die Beine bringen können», sagte sie.
Zugleich betonte Baerbock, die Lockerung von Sanktionen sei «kein Blankoscheck» für die neue islamistische Führung unter der HTS-Miliz. Die EU werde auch kein Geldgeber «für neue extremistische, terroristische oder islamistische Strukturen» sein. Das Waffenembargo gegen das Land will die EU nach Brüsseler Angaben in jedem Fall aufrechterhalten. Als Beispiel für ein Unternehmen, das von den Sanktionslockerungen profitieren könnte, nannte Baerbock ein Siemens-Kraftwerk zur Stromerzeugung, das wegen der Strafmaßnahmen seit Jahren nicht mehr mit Unterstützung aus Deutschland gewartet werden konnte.
Zu den EU-Sanktionen zählt ein Verbot von Investitionen in die syrische Ölindustrie und in Unternehmen, die an der Errichtung von Kraftwerken zur Stromerzeugung in Syrien beteiligt sind. Zudem umfasst das Sanktionspaket ein Einfuhrverbot für Rohöl aus Syrien sowie weitere Ausfuhrbeschränkungen. Auch die syrische Fluggesellschaft «Syrian Arab Airlines» unterliegt Sanktionen. Sollte sich das politische Klima in Syrien verschlechtern, können die EU-Sanktionen dem Beschluss zufolge automatisch wieder eingesetzt werden. Die in London ansässige Nicht-Regierungsorganisation «Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte» berichtete zuletzt von zahlreichen Opfern unter den ehemaligen Assad-Anhängern durch mutmaßliche Racheakte.
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