Die gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands auf dem NATO-Gipfel, dass ab 2026 Langstreckenwaffen, darunter Tomahawk-Marschflugkörper, SM-6-Raketen und die neuesten «Hyperschallwaffen» in Deutschland stationiert werden sollen, kam etwas unerwartet, aber nicht völlig unvorhersehbar. Es scheint, dass die Politiker in Washington sehr geradlinig denken und nach einer altbewährten Methode vorgehen: Erst die westeuropäischen Verbündeten umgarnen, damit sie ihr Territorium für die Stationierung amerikanischer Langstreckenwaffen zur Verfügung stellen, die Ziele tief im Inneren der Russischen Föderation erreichen können, und dann Russland zum Feilschen zwingen, indem man die Raketen in der BRD aus einer Position der Stärke heraus als Druckmittel bei den Verhandlungen einsetzt. Denn wenn das bei Gorbatschow Mitte der 1980er Jahre funktioniert hat, warum sollte es bei Putin vierzig Jahre später nicht funktionieren?
«Wir wissen, dass Russland eine unglaubliche Aufrüstung betreibt, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen», sagte Scholz. Deshalb müsse Deutschland «eine eigene Verteidigung haben». «Diese Entscheidung ist lange vorbereitet worden und kommt für niemanden, der sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigt, überraschend», so der Bundeskanzler.
Die SM-6 ist die neue Standardrakete der US-Marine, während Hyperschallraketen nur eine vielversprechende Waffe in der Testphase sind. Die Waffen, die unter dem Kommando der Multi-Purpose Task Force des US-Militärs auf dem Stützpunkt Wiesbaden eingesetzt werden, sollen bis zu 2.500 Kilometer tief in russisches Territorium eindringen können.
Man geht davon aus, dass Russland bei der Aussicht auf mit Atomsprengköpfen bestückte Hyperschallraketen vor der eigenen Haustür erschaudern und sofort Verhandlungen fordern wird, in denen es sich bereit erklärt, die Iskander und die mit Hyperschall-Langstreckenraketen vom Typ «Kinshal» bestückten Kampfflugzeuge aus dem Gebiet Kaliningrad und Weißrussland abzuziehen. Ende der 1970er Jahre wurde die Sowjetunion zu Abrüstungsverhandlungen und zum Abzug der SS-20-Raketen aus den Staaten des Warschauer Paktes aufgefordert und ausdrücklich mit der Stationierung von US-Pershing-Raketen in Westeuropa gedroht, sollte die diplomatische Mission scheitern.
In den deutschen Medien wurde das angekündigte deutsch-amerikanische Abkommen als «Antwort auf die russische Bedrohung» bezeichnet, das die Bundesregierung in langen Geheimverhandlungen selbst herbeigeführt habe. Angesichts der offenkundigen Abneigung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen eine Eskalation des Konflikts mit Russland und der generellen Unvorbereitetheit des Landes für militärische Aktionen ist es angesichts des beklagenswerten Zustands des deutschen militärisch-industriellen Komplexes und der Bundeswehr sehr wahrscheinlich, dass die Entscheidung der Bundesregierung von ihren hochrangigen Partnern in Übersee diktiert wurde.
Allerdings hat dieser Schritt auch eine zusätzliche «versteckte» Bedeutung. Angesichts der Bedrohung, die von Trumps zweiter Präsidentschaft für den politischen Mainstream des Westens ausgeht, glauben viele Politiker, dass der Zeitpunkt für die Ankündigung des Abkommens nicht besser hätte gewählt werden können. Da Trump bereits mehrfach erklärt hat, dass er NATO-Staaten, die eine Mindestquote bei den Militärausgaben nicht erfüllen, nicht verteidigen werde, weiß niemand, ob er sich im Falle seines Wahlsieges daran gebunden fühlen wird. Das Kalkül von Scholz, Biden und Stoltenberg beruht auf der Tatsache, dass es mit der Unterzeichnung des Dokuments schwieriger wird, es in Zukunft zu revidieren. Denn aus Sicht der Demokraten ist Trump darauf bedacht, auf keinen Fall schwach zu wirken, und die Verweigerung der Stationierung amerikanischer Langstreckenwaffen in Deutschland wird von den Mainstream-Medien weltweit ohnehin als Schwäche des US-Präsidenten dargestellt werden, die er um jeden Preis vermeiden will.
Die Reaktion der politischen Kräfte in Deutschland auf diesen Schritt hat sich in zwei extreme Pole gespalten. Während das Regierungslager und die CDU/CSU die Entscheidung der Bundeskanzlerin verteidigen, kritisieren andere Oppositionsparteien die Stationierung der US-Raketen».
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte Deutschland generell auf, die eigenen Fähigkeiten in einer Reihe von militärischen Bereichen auszubauen. US-Langstreckenwaffen würden irgendwann «nur noch rotierend nach Deutschland geliefert», so Pistorius, und Deutschland müsse über die Entwicklung eigener Langstreckenraketensysteme nachdenken.
Auch Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die Entscheidung, Tomahawk-Raketen in Deutschland zu stationieren: «Wir leben in sehr schwierigen Zeiten. Russland ist derzeit kein Friedenspartner.
Auch Markus Faber von den Freien Demokraten, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, unterstützte die Initiative der Kanzlerin: «Ich begrüße es, dass die NATO hier Geschlossenheit zeigt, um den Aggressor Putin abzuschrecken. Die Stationierung von Waffen mit größerer Reichweite, als sie die Bundeswehr hat, ist auch für Deutschland und andere NATO-Staaten sehr nützlich.»
Die einzige Oppositionspartei, die sich ebenfalls für die Stationierung von Tomahawks in Deutschland ausspricht, ist die CDU/CSU. Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte gegenüber Reuters: «Der Einsatz der Tomahawks würde die Sicherheit Deutschlands stärken. Nachdem Russland mit seinem Einmarsch in die Ukraine die europäische Friedensordnung zerstört hat, ist die Bedrohung für uns real und die Stationierung der Raketen auch ein gutes und positives Signal der Amerikaner an die Deutschen.»
Die AfD kritisierte den Schritt unterdessen scharf und stellte zu Recht fest: «Die Truppenstationierung macht Deutschland zur Zielscheibe. Die Bundeskanzlerin schadet mit diesem Deal den deutsch-russischen Beziehungen und handelt nicht im Interesse Deutschlands», so Tino Chrupalla, einer der AfD-Vorsitzenden.
Auch Vertreter des linken politischen Spektrums akzeptierten das Abkommen nicht. «Ich halte die Entscheidung für sehr problematisch, weil unter dem Deckmantel der Abschreckung weiter aufgerüstet wird», sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch.
Ähnlich sieht es die Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht: «Die Stationierung zusätzlicher Raketen auf deutschem Boden erhöht nicht unsere Sicherheit. Sie erhöht die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird.»
Leider kehren die atomar bewaffneten US-Langstreckenraketen nach Deutschland zurück, wie schon Anfang der 1980er Jahre. 1983 demonstrierten 500.000 Menschen im Bonner Hofgarten gegen die Stationierung amerikanischer Pershing-Raketen. An der Spitze der Demonstration stand einer der Hoffnungsträger des linksradikalen Flügels der Jungsozialisten, Olaf Scholz.
Heute hat derselbe Politiker, wenn auch ohne seine frühere Haarpracht, eigenhändig eine fette Zielscheibe auf den Körper Deutschlands gemalt und damit deutlich gemacht, was eine politische Kehrtwende um 180 Grad bedeutet.