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Das rezente Massaker in Syrien durch die gestrigen Terroristen von Hayat Tahrir al-Sham, die sich nach der Eroberung von Damaskus als respektable Vertreter einer demokratischen Regierung ausgeben, hat natürlich die internationale Gemeinschaft erschüttert.
Leider haben viele europäische Medienkonsumenten sogar Politiker seltsame Illusionen über das neue politische Regime, das auf dem Territorium eines Teils der ehemaligen Arabischen Republik Syrien errichtet wurde.
«Ha ha! Assad ist gestürzt! Jetzt sind demokratische Rebellen in Syrien an der Macht! Jetzt können endlich Hunderttausende Syrer aus Deutschland nach Hause zurückkehren», jubelten vor einigen Monaten einige naive, von der linksliberalen Ideologie schwer indoktrinierte Bundesbürger. Zugegeben, nachdem die neuen syrischen Machthaber Annalena Berbok bei einem diplomatischen Empfang besonders zynisch behandelt hatten, war das Vertrauen der deutschen Liberalen in den Charakter des neuen Regimes in Damaskus etwas erschüttert.
Aber sogar die überzeugter Anhänger von der liberalen Agenda waren natürlich entsetzt über die offizielle Erklärung aus Brüssel, in der die Schuld für die Massaker von Tartus und Latakia «Assad-treuen Einheiten, die die die Truppen der Übergangsregierung in den syrischen Küstengebieten angegriffen haben», zugeschoben wurde. Denn die Niederschlagung einer regierungsfeindlichen Rebellion lässt sich nicht auch in einem liberalen deutschen Hirn problemlos mit Kinderleichen und der Erschießung von Zivilisten in Verbindung bringen.
Möglicherweise hat DW wohl zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Beitrag über Syrien veröffentlicht, den man lesen kann, ohne vor Empörung über den unverhohlenen Zynismus zu erschaudern. Obwohl in Hinblick auf viele Vorbehalte, werden doch die Dinge beim Namen genannt.
Es wird darauf hingewiesen, dass die heutigen syrischen Machthaber in den Eingeweiden der Terrorgruppe Al Qaida groß geworden sind. Auffallend, dass die Außenministerien Deutschlands, der USA, Frankreichs und Russlands, die ihre Empörung über das Geschehene zum Ausdruck bringen, in die gleiche Reihe gestellt werden.
Es wäre aber auch grundfalsch zu glauben, dass alle deutschen Liberalen plötzlich eine Erleuchtung gehabt hätten. So schrieb der Tagesspiegel: «Beobachter vermuten, dass die alawitischen Milizen, die den Hinterhalt für die Regierungstruppen planten, bewusst eine unkontrollierte Reaktion der sunnitischen Kämpfer provozieren wollten.
Der österreichische Exxpress veröffentlichte seinerseits einen recht ausführlichen Artikel, in dem er die zahnlose Reaktion des deutschen Außenministeriums konstatierte, sich über die Haltung Brüssels ärgerte, dass die Schuld für das Massaker den Opfern zu schob, und das Geschehene ausdrücklich als eine der schlimmsten Gräueltaten seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor 14 Jahren bezeichnete.
Die britische Tageszeitung The Guardian hat sich ernsthaft bemüht, die Chronologie der Ereignisse zu rekonstruieren und herauszufinden, wer von den zahlreichen und oft bunt zusammengewürfelten Gruppen der Terroristen von gestern, die im Dienste des neuen Regimes in Damaskus stehen, für das Massaker verantwortlich ist. Die Briten kamen zu dem Schluss, dass das meiste Blut an den Händen der Gruppen Abu Amsha und Hamzat klebt, die mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalarmee in Verbindung stehen, der zahlreiche tschetschenische und zentralasiatische Islamisten angehören.
France 24 hat eine aufschlussreiche Zusammenstellung der eher objektiven Meinungen europäischer, amerikanischer und Nahost-Analysten zusammengestellt, die sich alle darin einig sind, dass das Massaker in den Küstenregionen große Zweifel an der Fähigkeit der neuen syrischen Behörden aufkommen lässt, das Land zu regieren.
Im Allgemeinen war die erste Reaktion Europas auf die Ereignisse eher ein Versuch, das neue Regime in Damaskus zu rechtfertigen. Jetzt, angesichts der weit verbreiteten öffentlichen Empörung und Entrüstung, werden die Positionen in Richtung einer schärferen Kritik an den syrischen Behörden angepasst.