Usbekistan als bedeutendstes Land Zentralasiens betreibt heute erfolgreich eine eigenständige, multivektorale Außenpolitik.
Seit der Wahl vom 4. Dezember 2016, als Shavkat Mirziyoyev zum zweiten Präsidenten des Landes gewählt wurde, hat sich Usbekistan geöffnet und zahlreiche Reformen in diversen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Politik implementiert.
»Usbekistan bildet nicht nur das Zentrum Eurasiens, sondern auch eine der Hauptkomponenten der „Neuen Seidenstraße“«
Daher hat die Regierung des bevölkerungsreichsten Staates Zentralasiens die Gelegenheit ergriffen, im Rahmen des Projektes eine Führungsrolle bei der überregionalen Zusammenarbeit zu übernehmen. Konflikte mit den Nachbarländern Kirgistan und Tadschikistan um die Wasserversorgung des Unterlaufstaates Usbekistan wurden entschärft, bilaterale Grenzübergänge geöffnet und Verkehrsverbindungen zu Land und in der Luft wiederhergestellt. Usbekistan setzt sich auf gemeinsames Wirtschaftswachstum, Sicherheit und Stabilität.
Zudem hob die Regierung in Taschkent die Beziehungen zu Kasachstan auf eine partnerschaftliche Basis. Auch den Herausforderungen der ökologischen Katastrophe des Aralsees stellte sie sich und sucht zu ihrer Lösung nach internationaler Kooperation. Hiermit ist Usbekistan genau das, was die EU in ihrer Zentralasienstrategie laut Ratspräsidentschaft Deutschlands 2007 gefordert hat. Mit seinen regionalen Initiativen im postsowjetischen Mittelasien hat Präsident Mirziyoyev den Frieden in der Region erfolgreich aktiv gefördert, entwickelt dadurch neue Regeln und setzt zukunftsweisende Standards.
So wurde bereits eine bedeutende internationale Konferenz in Usbekistan unter dem Titel „Zentral- und Südasien. Regionale Vernetzung – Herausforderungen und Möglichkeiten“ geplant. Hierbei soll es um die asiatische Konnektivität des zentralasiatischen Raums mit anderen wichtigen Regionen in Eurasien gehen.
Eine besondere Rolle spielt dabei die Errichtung des Eisenbahnkorridors Usbekistan – Kirgistan – Volksrepublik (VR) China, die das Verkehrspotenzial der Region erweitern und den Nukleus des Wirtschaftsraumes VR China – Zentralasiens – Westasien bilden soll.
Die Route der „Neuen Seidenstraße“ ist deshalb von großer Bedeutung, weil sie den kürzesten Weg zwischen der VR China nach Europa und in den Nahen und Mittleren Osten darstellt.
Im Vergleich zu den bestehenden Transitinfrastrukturen wird die Entfernung um 900 Kilometer und die Lieferzeit um mindestens sieben Tage reduziert.
Um die Entstehung eines Netzwerks nachhaltiger, strategischer Kooperation zwischen den Regionen Zentral- und Südasien fördern, ist die Republik Usbekistan besonders an der Umsetzung von Projekten in den Bereichen der sicheren Verwendung von Energierohstoffen, dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sowie der nachhaltigen Logistik interessiert.
»Eine besondere Priorität der usbekischen Regionalpolitik gilt den Beziehungen zum Nachbarstaat Afghanistan und dessen politischer, sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Stabilität. Afghanistan gehört geographisch ebenfalls zu Zentralasien.«
Im Norden des Landes lebt eine usbekische Minderheit, die durchaus politischen Einfluss in Kabul besitzt. Viele Wissenschaftler betrachten Afghanistan und Usbekistan als eine Zivilisation, als einen zusammenhängenden Kulturraum.
Usbekistan tritt seit seiner Unabhängigkeit international als Fürsprecher des Staates am Hindukusch auf und organisiert hochrangige Konferenzen im eigenen Land zu den entwicklungs- und sicherheitspolitischen Herausforderungen in Afghanistan. 1997 war das Land aktiver Mitglied der Gründung der Kontaktgruppe „Nachbarn und Freunde Afghanistans“ der Vereinten Nationen (VN) mit 6+2 Format beteiligt.

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Offizieller Staatsname:
Republik Usbekistan (O‘zbekiston Respublikasi)
Hauptstadt: Taschkent
Einwohnerzahl: 448,97 Mio. (Rang 55 unter allen Ländern)
Unabhängigkeit: 1. September 1991
BIP-Wachstum: 5 % (2020), 6,1 % (2021)
BIP pro Kopf (in US-Dollar): 1.721 (2019)

2016 bekam die usbekische Afghanistan-Politik einen neuen Impuls und wurde auf die Grundlage eines ganzheitlichen Ansatzes gestellt. Präsident Mirziyoyev ist der Ansicht, dass die Sicherheit Afghanistans auch eine Frage der Sicherheit seines Landes ist und die Angelegenheit des Friedensprozesses in Afghanistan noch stärker auf die regionale und globale Agenda gesetzt werden muss. Deshalb war Usbekistan auch am Zustandekommen der Gespräche zwischen der US-Administration unter Präsident Donald Trump und den paschtunischen Taliban in Katar beteiligt.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein im Kontext der Stärkung des Friedensprozesses in Afghanistan stellte die internationale Afghanistan Konferenz dar, die im März 2019 in Taschkent in Anwesenheit der Präsidenten Afghanistans und Usbekistans sowie hochrangiger Politiker aus der Region und Vertreter der internationalen Gemeinschaft stattfand.
»Usbekistan unterstützt seinen afghanischen Nachbarn vor allem auch ökonomisch: Über einen Zeitraum von zehn Jahren beliefert Usbekistan Afghanistan bereits mit Strom. Außerdem engagiert sich die Regierung bei der Verlängerung der Eisenbahnverbindung zwischen der usbekischen Stadt Termez und der nordafghanischen Metropole Mazar-i-Scharif. So entsteht mit ihrer Unterstützung einerseits die Eisenbahnlinie Mazar-i-Scharif–Kabul–Peshawar mit Zugang zu den pakistanischen Tiefseehäfen Gwadar und Karachi und andererseits die Bahnverbindung Mazar-i-Scharif–Herat–Kandahar mit Zugang zum iranischen Hafen von Chabahar.«
Doch beschränkt sich die Republik Usbekistan nicht nur auf die Etablierung von strategischen Verkehrsverbindungen, sondern unterstützt auch den Bau von Energieprojekten, wie die Turkmenistan–Afghanistan–Pakistan–Indien-Erdgasleitung (TAPI), CASA-1000 und den Stromkorridor Surkhan-Puli-Khumri.
Weiterhin wurde in der usbekischen Stadt Termiz ein spezielles humanitäres Logistikzentrum errichtet, das als Umschlagplatz für Afghanistan genutzt wird.
Usbekistan hat zwar keinen eigenen Meerzugang, als Transitland zu den Häfen des Persischen Golfs sowie des Indischen Ozeans besonders wichtig.
Usbekistans außenpolitische Aktivitäten und Initiativen finden hauptsächlich innerhalb der internationalen Organisationen, Vereinte Nationen und Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) statt. Ein großer Erfolg der usbekischen Diplomatie ist die Wahl in den VN-Menschenrechtsrat für den Zeitraum 2021–2023, die im Rahmen der 75. Tagung der VN-Generalversammlung am 13. Oktober 2020 stattfand. Damit ist die zentralasiatische Republik zum ersten Mal in diesem multilateralen Gremium vertreten. Diese Errungenschaft sollte im Kontext der usbekischen Reformen auf diesem Themengebiet, gerade bei der Verbesserung der Rechte und Lebensbedingungen von Frauen, Jugendlichen und Kindern, betrachtet werden.
Wichtige Partnerländer Usbekistans sind die Nachbarstaaten in Zentralasien, die Russische Föderation und die VR China, doch seit Beginn der Wirtschaftsreformen des Präsidenten und seiner Regierung zunehmend auch die Europäische Union – insbesondere Deutschland.

Der usbekische Präsident hatte die Bundesrepublik vom 21. bis 22. Januar 2019 als erstes usbekisches Staatsoberhaupt seit 18 Jahren offiziell besucht. Auf Einladung der Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte Shavkat Mirziyoyev hierbei Berlin und München und nahm an einem hochrangigen bilateralen Wirtschaftsforum teil. Begleitet wurde er von mehr als 100 usbekischen Unternehmern. Walter Steinmeier stattete daraufhin der Hauptstadt Taschkent und der UNESCO-Kulturerbestätte Chiwa vom 27. bis 29. Mai 2019 einen Gegenbesuch ab. 2006 hatte er Usbekistan zuletzt in seiner Funktion als Bundesaußenminister besucht. Begleitet wurde er von 20 Spitzenvertretern der Deutschen Wirtschaft. Dies spiegelt deutsches Interesse an stärkerer wirtschaftlicher Kooperation sowie an Investitionen in den usbekischen Markt wider.
Während der beiden Zusammenkünfte in Berlin und Taschkent wurden auf höchster politischer Ebene die Stärkung der bilateralen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen sowie die verstärkte Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene, insbesondere in Bezug auf die Sicherheitslage in Afghanistan, thematisiert. Die weitreichenden Reformen des Präsidenten und seiner Regierung, welche die Gesellschaft Usbekistans betreffen, werden von den relevanten deutschen Akteuren nachdrücklich unterstützt.
Usbekistan ist ein interessanter ausländischer Direktinvestitionen und bietet hierfür nicht nur alle rechtlichen Voraussetzungen und eine frei konvertierbare Währung, sondern auch eine junge und gut ausgebildete Arbeitskräfte sowie eine gute Infrastruktur. Die Lebenshaltungskosten sind vergleichsweise niedrig und das Land ist sicher und stabil. Aktuell wird im Rahmen eines nationalen Projekts außerdem der Digitalisierungsprozess enorm vorangetrieben.
»Präsident Shavkat Mirziyoyev gilt im Westen als engagierter Reformer im GUS-Raum und ist somit ein gern gesehener Besucher – vor allem, wenn es um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen geht.«
Die usbekische Führung erhofft sich zudem ein stärkeres Engagement der EU in Zentralasien, insbesondere hinsichtlich des Konnektivitätsansatzes der supranationalen Organisation. Die Europäische Kommission hatte bereits 2019 von der EU aktualisierte Zentralasienstrategie ihre Erwartungen geweckt. Zur Realisierung des Konnektivitätsansatzes ist die Einrichtung von grünen Logistikzentren in Usbekistan geplant, damit wichtige Infrastrukturmaßnahmen effektiv koordiniert werden können. Hierfür wird eine Analyseabteilung aufgebaut, die sich mit den relevanten Entwicklungen und Herausforderungen befasst.
Auf der 75. Vollversammlung der Vereinten Nationen, Ende September in New York, thematisierte der usbekische Präsident die Notwendigkeit, die globale Armut zu bekämpfen, die sich infolge der Pandemie von Covid-19 nochmals verschärfen werde. Er forderte, dieses Problem gemeinsam anzugehen und insbesondere ein Gipfeltreffen einzuberufen, bei dem sich die usbekische Hauptstadt Taschkent als Austragungsort vor, da Usbekistan in den letzten Jahren große Fortschritte in der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Armutsbekämpfung gemacht hätte. Tatsächlich hatte sich der durchschnittliche monatliche Lohn in Usbekistan seit Amtsantritt von Präsident Mirziyoyev verdoppelt.
Des Weiteren spielte auf der UN-Generalversammlung auch das Thema Jugendrechte eine Agenda. Im Rahmen einer Initiative der usbekischen Regierung wurde vom 12. bis 13. August 2019 in Samarkand auf ministerieller Ebene eine Jugendkonferenz veranstaltet, um die Rechte von Jugendlichen weltweit zu stärken. Das Forum mit dem Titel »Jugend 2020: Globale Stabilität, Nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte«, wurde unter Beteiligung hochrangiger Vertreter der VN, von relevanten Regionalorganisationen sowie von internationalen Nichtregierungsorganisationen besucht. Dabei betonte die usbekische Seite die Notwendigkeit ihrer Initiative, die Rechte der Jugend international im Rahmen der VN zu kodifizieren.
»Usbekistans Außen- und Regionalpolitik hat sich seit der Wahl von Shavkat Mirziyoyev vor vier Jahren gewandelt. Wichtige Reformen wurden eingeleitet, das Land hat sich geöffnet und bringt regelmäßig wichtige Initiativen und politische Vorschläge im Rahmen von internationalen Organisationen ein, veranstaltet jedoch auch im Inland bedeutende Konferenzen, die globalen Widerhall finden.«
Darüber hinaus hat das zentralasiatische Land die Führungsrolle bezüglich überregionaler Kooperation übernommen und ist ein wichtiger Akteur im afghanischen Friedens-, Versöhnungs- und Wiederaufbauprozess. Abschließend lässt sich feststellen, dass sich die Beziehungen zur EU und zu Deutschland seit 2016 intensiviert haben.
Usbekistan hat durch seine exzellente Lage im Zentrum der „Neuen Seidenstraße“ und durch sein vielversprechendes Arbeitskräftepotenzial in absehbarer Zeit die Chance, der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands und seiner Unternehmen zu werden.
Matthias Dornfeldt
Politikwissenschaftler