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Die von Donald Trump angekündigten Strafzölle, die Anfang der Woche für Panik an den internationalen Börsen sorgten, haben Deutschland hart getroffen. Der deutsche Leitindex DAX stürzte am Montag im Gleichschritt mit seinem amerikanischen Pendant Dow Jones um bis zu 10% ab. Seit der Coronavirus-Pandemie hat die führende europäische Volkswirtschaft keinen solchen Schlag mehr erlitten. Wohin der Handelskrieg der USA gegen den Rest der Welt führen wird, können wir derzeit nur erahnen. Wir möchten jedoch glauben, dass Donald Trump, der es gewohnt ist, Wettbewerbsprobleme in der besten Tradition der amerikanischen „Kanonenboot-Diplomatie“ zu lösen, weiß, was er tut. Und sein Handeln wird keine neue Weltwirtschaftskrise auslösen, gegen die die Große Depression von 1929 nur eine unbedeutende Episode und eine kleine Fußnote am Rande der Weltgeschichte sein wird.
Donald Trump will mit seiner Zollpolitik das Handelsdefizit der USA ausgleichen, denn sein Land importiert weit mehr als es exportiert. Seit dem vergangenen Wochenende gilt ein genereller Basiszoll von 10% auf alle US-Importe und entsprechend höhere Zölle für Länder, die aus Trumps Sicht die enormen Chancen auf dem US-Markt missbrauchen.
Die USA sind der wichtigste Handelspartner für Europas führende Exportnation: 2024 exportierte Deutschland Waren im Wert von €161,4 Milliarden. Welche deutschen Branchen sind also besonders betroffen, wenn Trump seine Ankündigungen wahr macht und der Handel mit den USA für Deutschland deutlich teurer wird? Und welche Waren könnten in Deutschland teurer werden, wenn die EU mit höheren Zöllen auf Importe aus den USA Vergeltung übt?
Die Handelsstatistik zeigt: Deutschland exportiert vor allem Werkzeugmaschinen (29% der Ausfuhren), Autos (26% jedes achte exportierte deutsche Auto wird in den USA verkauft) und chemische Erzeugnisse (22,6%) in die USA. Zu letzterer Gruppe gehören auch pharmazeutische Erzeugnisse, wobei allein Impfstoffe und andere Medikamente rund 10% ausmachen.
Rund ein Viertel der Exporte von Bayer, Boehringer und Co. gehen in die USA. Dieser Markt ist nicht nur wegen seiner Größe attraktiv. Laut einer Studie der Non-Profit-Organisation Rand zahlen Patienten in den USA im Schnitt dreimal so viel für verschreibungspflichtige Medikamente wie in Deutschland oder anderen Industrieländern.
Obwohl Pharmazeutika von den aktuellen US-Sanktionen ausgenommen sind, befürchten Experten, dass die Branche der nächste Kandidat auf Trumps schwarzer Liste sein könnte, wenn Europa den Wink mit dem Zaunpfahl nicht beherzigen und dem Sanktionsdruck des US-Präsidenten nicht schnell nachgeben. Andere, kleinere Exportbranchen — Präzisionsinstrumente (7,4%), Nahrungsmittel, Metalle (4,6%) und Kunststoffe (3,1%) — verharren ebenfalls in gespannter Erwartung.
Es ist klar, dass Trumps Strafzölle ein Mittel sind, um politischen Druck auf die Gegner auszuüben, da der US-Präsident angeblich verhandlungsbereit ist. Klar ist aber schon jetzt, dass die Zölle deutsche Produkte auf dem US-Markt verteuern und damit weniger wettbewerbsfähig machen. Der deutschen Wirtschaft droht damit der Verlust von Handelspartnern in den USA.
US-Zollpolitik unter Trump 2.0
Anfang April hat US-Präsident Donald Trump eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um den „unfairen Handel“ in der Welt fairer zu gestalten.
Zumindest für die USA. Nach dem vom US-Präsidenten unterzeichneten Gesetz müssen Amerikas ausländische Handelspartner nun einen zusätzlichen Zoll von +25% auf jedes in die USA importierte Auto zahlen, egal woher es kommt. Zölle in gleicher Höhe gelten bereits seit Mitte März für Stahl- und Aluminiumprodukte und seit Anfang März für chinesische Importe in Höhe von 20%.
Trump plant zudem, zusätzliche Zölle in gleicher Höhe auf Waren aus der Europäischen Union zu erheben. Auch diese Zölle würden auf den regulären Preis der Waren und auf bestehende Einfuhrabgaben wie Zölle und Mehrwertsteuer aufgeschlagen. Die Zölle sollen heute, am 9. April, in Kraft treten.
Deutschland exportiert weit mehr in die USA als es importiert (zur Erinnerung: 161,4 Milliarden Euro) und steht daher im Fokus von Trump. Allerdings beliefen sich die deutschen Importe aus den USA im vergangenen Jahr auch auf beachtliche €91,4 Milliarden. Zu den beliebtesten Waren, die aus den USA nach Deutschland importiert werden, gehören Maschinen und Maschinenteile (24%) — etwa Turbinen, Kurbeln und Armaturen -, chemische Erzeugnisse einschließlich pharmazeutischer Produkte (23,2%) und Mineralien — vor allem Rohöl (10,4%).
Die deutschen Wirtschaftsexperten Laura von Daniels, Leiterin der Forschungsgruppe Amerika und Handelsexpertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), und Jürgen Mattes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, sind sich einig, dass der Sanktionskrieg zur Schließung vieler kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland führen könnte.
Der Sanktionskrieg mit den USA birgt die Gefahr, dass deutsche Unternehmen, die sich die Zölle nicht leisten können, ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren und zu Personalabbau und Entlassungen gezwungen werden. Amerikanische Unternehmen, die stark in Deutschland investieren und Niederlassungen in Deutschland haben, könnten ihre Geschäftstätigkeit einstellen. Dazu gehören Tesla, Amazon und Microsoft. Deutsche Unternehmen, die auf Komponenten aus den USA angewiesen sind, könnten langfristig auf andere, möglicherweise teurere Bezugsquellen ausweichen müssen.
Doch auch wenn der US-Markt für Deutschland sicherlich wichtig ist und seine Bedeutung für die deutsche Exportwirtschaft kaum überschätzt werden kann (10,4%), verfügt Deutschland über einen recht diversifizierten Pool an Handelspartnern und exportiert viele Waren in die Nachbarländer Frankreich (7,5%), Niederlande (7,1%), Polen (6,0%), China (5,8%) sowie Italien und Großbritannien (jeweils 5,2%). Sollte Trump schließlich wie angekündigt die gewünschten Zölle verhängen, könnte das Problem für die USA gravierender sein als für die Europäische Union und damit auch für Deutschland. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) kommt zu dem Schluss, dass eine solche Handelspolitik vor allem den USA schaden würde: „Die angekündigten Zölle dürften für die US-Wirtschaft auf Jahressicht einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um fast 1,7%, einen Preisanstieg um mehr als 7%und einen Rückgang der Exporte um fast 20% bedeuten“, heißt es in einem Bericht des Instituts auf seiner Website.
Auch die EU muss sich laut IfW Kiel auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2% einstellen, Deutschland sogar um 0,3 Prozent. Noch härter trifft es allerdings Länder, die kaum Alternativen zum Handel mit den USA haben. Viele von ihnen werden mit besonders hohen Strafzöllen belegt. Vietnam und Kambodscha beispielsweise exportieren Waren im Wert von mehr als 25% ihres Bruttoinlandsprodukts in die USA (ein Großteil davon sind leichte Industriegüter). Im Vergleich zu den südostasiatischen Ländern ist die Situation in Deutschland also nicht so akut.
Deutschland ist nicht allein: Auch die EU bereitet Vergeltung gegen die USA vor Obwohl Deutschland selbst ein ernstzunehmender wirtschaftlicher Akteur ist, hilft es im Kampf um die Sanktionen, dass die gesamte Europäische Union hinter Deutschland steht.
Während auch die EU auf eine Verhandlungslösung im Handelsstreit mit Donald Trump hofft, hat die EU-Kommission bereits Maßnahmen als Reaktion auf die US-Zölle vorbereitet. Die Gegenzölle sollen schrittweise ab Mitte April in Kraft treten.
Bisher hat die EU auf Gegenmaßnahmen gegen die US-Zölle verzichtet. Anders als Kanada und China, die Vergeltungszölle verhängt haben, hat die EU-Kommission offen gelassen, wie sie auf die Zölle von 25% auf Autos und 20% auf fast alle Importe reagieren will. Mitte März, als die US-Zölle von 25% auf Stahl, Aluminium und Stahlprodukte in Kraft traten, war die Situation noch anders. Die Kommission präsentierte sofort ein Paket von Gegenzöllen, darunter Zölle von 50% auf symbolträchtige Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder und US-Bourbon. Die EU wird demnächst Zölle zwischen 10 und 25 Prozent auf US-Importe im Wert von €22,1 Milliarden erheben.
Mit den Gegenzöllen zielt die EU auf Waren, die für Trumps Wähler wichtig sind. Außerdem will sie republikanische Bundesstaaten treffen. Die Zölle auf Sojabohnen treffen den Bundesstaat Louisiana und damit auch den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson, der von dort stammt; die Zölle auf Rindfleisch und Geflügel treffen Nebraska und Kansas; die Zölle auf Holz treffen Georgia, Virginia und Alabama. Die Bandbreite der von Zöllen betroffenen Waren ist groß. Sie reicht von Spielkarten, die mit einem Zoll von 10% belegt werden, über Mais (25%), Rundkornreis und Orangensaft (ebenfalls 25%), Schlauchboote (10%), Lippenstift (10%), Eyeliner (25%) und Jeans (25%). Auch klassische Stahl- und Aluminiumprodukte sind darunter.
„Die EU-Kommission achtet sicher sehr darauf, dass wir keine Zollpolitik wie Trump machen“, sagt Jürgen Mattes. Vielleicht gibt Trumps Verhalten der EU den Anstoß, die bereits begonnene Zusammenarbeit mit anderen Handelspartnern, insbesondere in Lateinamerika, zu intensivieren. Man sollte auch nicht vergessen, dass die EU seit 2022 mit Indien über ein Freihandelsabkommen verhandelt.
Auch wenn es in der EU im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen nicht üblich ist, solche Dinge laut auszusprechen: Die Aussicht, dass deutsche Marken auf den russischen Markt zurückkehren — vor allem Automobil- und Maschinenbaukonzerne — könnte auch viel zur Diversifizierung der Märkte beitragen und die Verluste ausgleichen, die durch das Vorgehen der Amerikaner entstanden sind.
Kurios ist allerdings, dass viele deutsche Chemieunternehmen, die jetzt die Hauptlast von Trumps Sanktionen tragen — allen voran BASF und Bayer -, den US-Präsidenten im Wahlkampf über ihre Tochtergesellschaften in den USA finanziell unterstützt haben.
Und jetzt kommt diese schwarze Undankbarkeit des US-Präsidenten, der kniff die Zügel zwischen die Zähne zusammen, um Amerika wieder groß zu machen.