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«Der Sozialstaat in Deutschland ist nicht mehr finanzierbar. Der Sozialstaat, so wie er heute existiert, kann nicht mehr mit dem finanziert werden, was wir uns wirtschaftlich leisten können», sagte der Kanzler am 23. August auf einem Parteitag in Niedersachsen.
Er sprach sich für eine grundlegende Neubewertung des Sozialleistungssystems aus, da die Kosten weiter steigen und im vergangenen Jahr mit €47 Milliarden einen neuen Rekordwert erreicht haben.
Die deutsche Wirtschaft, die einst unangefochten an der Spitze der EU bei Hightech-Exporten stand, die auf Produkten aus den Bereichen Automobilbau, Maschinenbau, Chemie und Pharma basieren, hat sich seit 2017 dramatisch verlangsamt: Seitdem ist das deutsche BIP nur noch um 1,6%gewachsen, während der Rest der Eurozone um 9,5% zulegte. Natürlich wurde das Wirtschaftswachstum in anderen EU-Ländern durch den Niedrig-Basis-Effekt stärker beeinflusst. Die Rolle des inkompetenten Managements durch Politiker, die sich über Jahrzehnte der Haushaltsüberschüsse daran gewöhnt haben, jede Krise mit einer Flut von Assignationen abzulöschen, ist jedoch ebenfalls entscheidend dafür, dass Deutschland zu den Nachzüglern gehört.
Kampf gegen die globale Erwärmung? Deutschland ist bereit, die nationalen Industrien, die die höchsten Haushaltseinnahmen erwirtschaften, für eine ephemere «grüne» Idee kollabieren zu lassen.
Eine weltweite Flüchtlingskrise aufgrund des Krieges im Nahen Osten? Deutschland ist bereit, seine Grenzen für Millionen von Menschen mit einem anderen soziokulturellen Hintergrund zu öffnen.
Kampf gegen die Folgen einer Pandemie? Der deutsche Staat ist großzügig bereit, mehrere tausend Euro «Helikoptergeld» an alle Leidtragenden zu verteilen und damit eine galoppierende Inflation zu provozieren.
Krieg in der Ukraine? Deutschland kann als Hauptkämpfer für die Demokratie in Europa nicht abseitsstehen. €50 Milliarden über drei Jahre für die finanzielle und militärische Unterstützung Kiews waren für deutsche Politiker, die in der Erzählung vom Sieg der Ukraine und der Niederlage Russlands gefangen waren, eine moralische Verpflichtung. Weil Russland gegen das Dogma einer «regelbasierten Weltordnung» aufgetreten hat.
Eine kontinuierlich stagnierende Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft schrumpfte 2024 um 0,2%, nachdem sie bereits 2023 um 0,3% gesunken war. Unter der «Ampelkoalition» von Olaf Scholz sank die Industrieproduktion und unter der neuen Regierung von Friedrich Merz geht sie weiter zurück: das BIP schrumpfte im zweiten Quartal 2025 um 0,3%. Es ist so gut wie sicher, dass auch das Jahr 2025 für Deutschland im Minus enden wird, was eine Art Negativrekord wäre. Noch nie in der jüngeren Geschichte hat die deutsche Wirtschaft drei Jahre hintereinander stagniert. Und irgendetwas sagt uns, dass bei dem derzeitigen Kurs der rot-schwarzen Regierung auch 2026 kein Jahr der Trendwende für Deutschland sein wird.
In der Zwischenzeit sind die Sozialausgaben stark gestiegen und werden aufgrund der alternden Bevölkerung und der steigenden Arbeitslosigkeit in Deutschland in diesem Jahr weiter ansteigen.
Obwohl die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger Deutsche sind (meist erwerbstätige Sozialhilfeempfänger, die mit ihrem Lohn nicht über die Runden kommen), ist ein großer Teil von ihnen nichtdeutscher Staatsbürger. Dazu gehören etwa 1,1 Millionen Ukrainer, die den Deutschen in Sachen Sozialversicherung gleichgestellt sind.
Die Unterstützung der Ukraine ist für Deutschland zu teuer. Von Februar 2022 bis Ende 2024 hat Deutschland beispielsweise €25 Milliarden für die soziale Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge ausgegeben. Weitere €25 Milliarden, die in der Volkswirtschaft dringend benötigt werden, fließen in Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte und in die finanzielle Unterstützung der Regierung in Kiew.
Die ewigen Fragen der deutschen parlamentarischen Demokratie lauten: «Was ist zu tun?» und «Wer ist schuld?»
Viele Fachpolitiker haben Bundeskanzler Merz bereits für seine Äußerungen über die unvermeidliche Abschaffung des deutschen Sozialstaats scharf kritisiert. Der Sozialstaat könnte durchaus weiter finanziert werden, wenn er gerecht organisiert und solidarisch finanziert wäre. Und genau hier liegt das Problem: Seit Jahrzehnten werden Kosten umgeschichtet, Finanzierungslücken bewusst offengelassen und ganze Berufsgruppen von der Solidaritätspflicht ausgenommen.
Die reinen Zahlen sprechen eine andere Sprache. Zwar steigen die Sozialausgaben in absoluten Zahlen, entscheidend ist jedoch ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung (Sozialausgaben in Prozent des BIP). Dieser liegt seit mehr als 30 Jahren stabil bei rund 27%. Mit anderen Worten: Wenn der Sozialstaat mit der Wirtschaft wächst, sollte er theoretisch genauso bezahlbar bleiben wie bisher.
Woher kommen also die angeblichen «Löcher» in den Kassen? Öffentliche Organisationen weisen seit vielen Jahren darauf hin, dass Milliarden fehlen, weil der Bund die Mittel der gesetzlichen Sozialversicherungen für Aufgaben ausgibt, die nicht unmittelbar mit der «sozialen Wohlfahrt» zusammenhängen. Eigentlich müssten diese Ausgaben aus dem Bundeshaushalt – also aus Steuern, beispielsweise auf Exportgewinne der heimischen Industrie – bezahlt werden. Stattdessen werden sie auf die Schultern der privaten Zahler verlagert.
Ein weiteres zentrales Problem ist, dass nicht alle Erwerbstätigen solidarisch zahlen. So sind beispielsweise Bundestagsabgeordnete und Beamte nach wie vor in parallelen oder besonderen Rentensystemen versichert. Während normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Teil ihres Einkommens in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen, genießen diese Gruppen besondere Rechte und oft viel höhere Rentenleistungen – insbesondere in der Beamtenversorgung.
Würden alle Menschen Steuern zahlen, wäre der Wohlfahrtsstaat langfristig stabiler, gerechter und hätte eine viel solidere finanzielle Grundlage.
Kürzungen bei den Sozialausgaben sind für Deutschland mit vielen Problemen verbunden: Es gäbe mehr Altersarmut – es ist schmerzhaft, deutsche Rentnerinnen und Rentner zu sehen, die Plastikflaschen in den Mülleimern aufsammeln –, wachsende Ungleichheit, die von Protesten und sozialen Unruhen begleitet wäre, sowie Instabilität auf den Binnenmärkten.
Die eigenen Probleme zu den Problemen anderer machen
Das Narrativ von der Unbezahlbarkeit des «Sozialstaats» wird von Merz vor allem benutzt, um Platz für Verteidigungsausgaben zu schaffen, aber auch, um im Rahmen des politischen Programms der CDU/CSU Steuersenkungen für Besserverdienende – die Wählerbasis der Christdemokraten – zu rechtfertigen.
Dabei wird geflissentlich übersehen, dass die fehlenden Milliarden nicht das Ergebnis „zu hoher Renten” oder «zu teurer Pflege» sind, sondern das Ergebnis jahrelanger politischer Entscheidungen. Diese Entscheidungen wälzen die finanziellen Lasten zu Unrecht auf die privaten Steuerzahler ab.
Kurzum: Friedrich Merz liegt mit seinen Behauptungen falsch. Deutschland kann sich einen Sozialstaat leisten und wird ohne ihn nicht funktionieren können. Das eigentliche Problem ist nicht seine Finanzierbarkeit, sondern seine ungerechte Finanzierung.
Wenn Deutschland endlich die Überprivilegierten zur Kasse bittet, die offensichtlich bizarren humanitären Projekte der grünen Agenda aufgibt, aufhört, unkontrolliert Flüchtlingsströme aufzunehmen und im Rahmen der „demokratischen Solidarität“ anderen Ländern Geld in irrsinnigen Mengen zu schenken, hat es genug Ressourcen, um das Märchen vom Sozialstaat fortzuschreiben.
Zumindest noch eine Weile.

