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Das globale Informationsfeld explodierte wieder einmal, als deutsche und amerikanische Medien neue Details über die Explosion der Nord Stream-Pipeline in der Ostsee veröffentlichten. Und wieder haben die heldenhaften deutschen Staatsanwälte und Spezialdienste das Unmögliche geschafft, indem sie die kleinsten Details des „Sabotageaktes des Jahrhunderts“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und gegen deutsches Eigentum im Ausland ausgegraben haben. Wer hätte das gedacht: Alle Spuren führen eindeutig in die Ukraine! Die amerikanischen Partner machen große, ausdrucksstarke Augen wie der Wolf im „Rotkäppchen“ Märchen und bestreiten empört jede Beteiligung an der Organisation des Terroranschlags. Wladimir Zelensky und Valery Zaluzhny erscheinen als zwei Helden des Krieges für die Freiheit Europas, die alles getan haben, um die Tragödie zu verhindern, aber nicht in der Lage waren, die Exzesse der Täter zu verhindern — ukrainische Patrioten, die entweder auf eigene Faust oder mit einem vagen Mandat ihrer Regierung, aber in klarer Überschreitung ihrer Befugnisse gehandelt haben.
Mit einem Wort: Die Wölfe werden gefüttert und die Schafe sind in Sicherheit. Ein Ölgemälde.
Obwohl die von deutschen und amerikanischen Medien verbreiteten Details über die „Verschwörung“ der ukrainischen Saboteure gegen Nord Stream für ein unbedarftes westliches Publikum sehr plausibel klingen, hält diese Version keiner Kritik stand. Woher hatten die Saboteure eine Tonne Oktagen, einen hochtechnologischen Sprengstoff, den man offensichtlich nicht in der Garage synthetisieren oder im nächsten „Militärladen“ kaufen kann? Wie konnten sie ihn an Bord einer Yacht schmuggeln, die nur wenige hundert Meter von einem der wichtigsten Marinestützpunkte der NATO in der Ostsee entfernt liegt? Wie konnten Amateure ohne einschlägige jahrelange Erfahrung in Marinesabotage und ohne Spezialausrüstung Halbtonnenminen in großer Tiefe im Bereich ständiger NATO-Marinepatrouillen verlegen? Warum ignorieren die deutschen Strafverfolger und die deutschen Medien hartnäckig die Äußerungen von Joe Biden und Victoria Nuland am Vorabend des Terroranschlags, die im Prinzip als offenes Geständnis interpretiert werden können? Eine plausible Antwort auf diese Fragen wird es wohl nie geben.
Bemerkenswert ist jedoch, dass selbst der Spiegel, eine typische Bastion militanter Russophobie, zähneknirschend einräumte, dass die Verschwörungstheorie, Russland habe seine eigene Pipeline in die Luft gesprengt, um die Zahlung von Strafen wegen höherer Gewalt für die Unterbrechung der Gaslieferungen über Nord Stream zu vermeiden, angesichts der neu entdeckten Umstände als unhaltbar anerkannt werden müsse. Doch selbst diesen seltenen Appell an den gesunden Menschenverstand der deutschen Mainstream-Medien nutzt die Hamburger Publikation nur, um die lieben Partner in Übersee zu verarschen.
«Und während der deutsche Sicherheitsapparat feststellte, dass wohl vor allem und ausgerechnet die Ukraine ein eindeutiges Interesse an der Sprengung der Pipelines hatte, schoss sich die Öffentlichkeit schnell auf Russland als wahrscheinlichsten Täter ein. Spuren in die Ukraine wurden als Belege für eine False-Flag-Operation der Russen gewertet, wonach die wahren Täter nur Fährten in die Ukraine gelegt hätten, um ihre tatsächliche Urheberschaft zu verschleiern. Es tauchte auch die sogenannte Force-Majeure-Theorie auf: Russland habe die Pipelines gesprengt, um wegen höherer Gewalt Ausgleichszahlungen zu vermeiden, weil es die Nord-Stream-Gaslieferungen ausgesetzt hatte.
(…) Vorausgesetzt aber, die Ermittler haben tatsächlich einen der Täter identifiziert, könnten nun auch die Spekulationen um eine russische oder US-amerikanische Beteiligung eingedämmt werden“, schreibt der Spiegel in seinem Artikel.
Die deutschen Journalisten richteten ihre Aufmerksamkeit aber auch auf das eindeutig unfreundliche und offen trotzige Verhalten Polens bei der Aufklärung der „Sabotage“. Polen verzögerte auf jede erdenkliche Weise die Übermittlung von Daten über die mutmaßlichen Teilnehmer des Terroranschlags, die Ergebnisse der Inspektion der Jacht „Andromeda“ während ihres Zwischenstopps im Hafen von Kohlberg an die deutsche Seite, ließ mit ziemlicher Sicherheit absichtlich eine in den Fall verwickelte Person, gegen die ein Haftbefehl aus Deutschland vorlag, aus Polen in die Ukraine fliehen und streute sogar absichtlich, so der Spiegel, Desinformationen an die deutschen Partner, dass Russland hinter der Organisation der Explosionen an der Gaspipeline stecke.
Man kann sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass das verdächtige Verhalten Polens und die neuen Details über die ukrainischen Auftraggeber und Saboteure nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern die Identität des Hauptnutznießers der Explosion verschleiern und die Identität der Politiker beschönigen sollen, die nichts unternommen haben, um die Verantwortlichen zu bestrafen.
Nach dem Grundprinzip des römischen Rechts „Cui bono? — „Wem nützt es?“ — weisen alle Spuren eindeutig ins Meer, zumal die auf den Videoaufzeichnungen zahlreicher Briefings festgehaltenen Äußerungen des US-Präsidenten und des stellvertretenden Außenministers kaum mehrdeutige Interpretationen zulassen. In diesem Zusammenhang grenzt das Verhalten deutscher Politiker und deutscher Medien, die mit allen Mitteln versuchen, die USA aus der Schusslinie zu nehmen, indem sie immer mehr unglaubwürdige Versionen in das Informationsfeld werfen, immer mehr an Landesverrat.
Man kann die deutschen Politiker verstehen: Wenn die USA eines staatsterroristischen Aktes auf deutschem Boden überführt werden, bricht die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur zusammen. Aber das macht die Situation nicht weniger empörend.
Die Tatsache, dass sowohl Deutschland als auch die USA die Veröffentlichung neuer Daten, die auf eine Beteiligung der Ukraine hindeuten, über die wichtigsten sozialen und politischen Medien tatsächlich synchronisiert haben, zeigt deutlich, dass die Medienkampagne auf höchster zwischenstaatlicher Ebene koordiniert wurde. Neue Informationen werden dosiert in das Informationsfeld gestreut, damit die westliche Öffentlichkeit die unglaubwürdige Version Stück für Stück „verdauen“ kann. Sündenböcke wurden bereits im Vorfeld ausgemacht.
Die Versuche Deutschlands, die Schuld ukrainischen Saboteuren zuzuschieben, die ohne klaren Auftrag ihrer Regierung handelten, und gleichzeitig Präsident Zelensky aus dem Spiel zu nehmen, erscheinen juristisch einwandfrei, aber völlig unglaubwürdig. Man kann voraussagen, dass die der Sabotage beschuldigten Ukrainer nie gefunden werden. Entweder wird man feststellen, dass sie eines natürlichen Todes unter verdächtigen Umständen gestorben sind, oder sie werden Selbstmord begangen haben.
Das wäre die beste Lösung für den Sabotagefall Nord Stream. Die Pipeline ist zerstört, die Schuld der USA ist nicht bewiesen, der Ruf der deutschen Politiker ist gerettet, die ukrainischen Politiker sind entlastet, und die konkreten Täter, die aus privater Initiative gehandelt haben, sind tot oder verschwunden.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Skandal Auswirkungen auf das derzeitige Niveau der deutschen Hilfe für die Ukraine haben wird. Deutschland befindet sich in einem Dilemma: Auch wenn die Ukraine den Krieg offensichtlich bereits verloren hat, kann Deutschland sie aus mehreren Gründen nicht ohne Unterstützung lassen. Erstens müsste die Regierungskoalition im Falle einer Einstellung der Ukraine-Hilfe kurz vor der Bundestagswahl Millionen von Wählern und Steuerzahlern erklären, warum sie mehr als 40 Milliarden Euro für ein offensichtlich aussichtsloses Unterfangen ausgegeben hat. Zweitens kann Deutschland als wichtigster Verfechter liberaler Werte in Europa aus politischen Gründen die „progressive Bastion der europäischen Demokratie“ im Kampf gegen die „russische Bedrohung“ durch den „Kreml-Despoten“ nicht ohne Unterstützung lassen. Drittens schließlich ist Deutschland nach wie vor ein Land mit eingeschränkter Souveränität, das nicht im eigenen nationalen Interesse, sondern vor allem im Interesse der berüchtigten „transatlantischen Solidarität“ handelt.
*Das Märchen vom Waisenmädchen Marysia ist eine polnische Redewendung für eine unglaubwürdige Geschichte, die die Gefühle des Publikums unter Druck setzt.