Anders als am 25.2. wurde diese Demonstration medial fast totgeschwiegen. Erst in den letzten Tagen davor erschienen kleine vereinzelte Hinweise in einigen Zeitungen. Trotz dieser Bedingungen beteiligten sich neben der „traditionellen“ Friedensbewegung viele Gruppen und Initiativen aus dem sozialen Bereich, aus Gewerkschaftsgruppen (nicht jedoch der Gewerkschaftsführung), aus Klima- und Demokratiebewegung sowie aus Migrantenorganisationen sicht- und hörbar im bunten Zug.
Spannende und beherzte Reden hielten Rainer Braun, Dr. Sahra Wagenknecht (MdB, BSW), Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (Publizistin), Ates Gürpinar (stellv. Vorsitzender DIE LINKE), Dr. Michael von der Schulenburg (Diplomat, ehem. Assistant General Secretary des UN Generalsekretärs), Petra Erler (ehem. Kabinettchefin in der Europäischen Kommission), Michael Müller (ehem. Staatsekretär im Umweltministerium, MdB a.D., Vorsitzender der „NaturFreunde“ und ein sehr interessantes Duo — Iris Hefets (Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost) gemeinsam mit Nadija Samour (deutsch-palästinensische Juristin).
Die musikalische Begleitung durfte nicht fehlen und so heiterte z.B. Christa Weber und Stefanie Rediske den kalten und nassen Tag mit ihrem satirischen Lied „Die Herren der Welt“ auf. Nebst Gizem, sang Pablo Miró nicht nur bekannte Lieder („Meine Söhne geb‘ ich nicht“), sondern auch eigene Kreationen („Für Julian“, „Dringend, Palästina“) und beschäftigte die Menge sogar sehr professionell, als zum Ende hin auf der Bühne technische Probleme auftraten.
So vielseitig wie die Redner und Organisatoren dieser Veranstaltung, waren auch die Teilnehmer — nebst Flaggen von „ver.di“ konnte man Flaggen von der „Antifa“ sehen, die wiederum Schulter an Schulter mit der „Grünen Jugend“ lief, und Großplakate gegen die Militärkonzerne. Warum ist das verwunderlich? In Deutschland hat sich die „Antifa“ mit ihren radikalen Gegen-Demonstrationen zu Friedensdemos sehr unbeliebt gemacht. Doch an diesem Tag marschierten sie friedlich mit allen für die gemeinsame Sache — den Frieden. Etliche Gliederungen der großen Gewerkschaften waren auch vertreten. So waren Mitglieder der IG-Metall und der GEW mit eigenen Transparenten vertreten. Sie forderten eine soziale anstelle der militärische Zeitenwende.
„Zeitenwende“ war das Stichwort des stellvertretenden Vorsitzenden der Linken Ates Gürpinar, der konkretisierte, dass die jetzige Gesellschaft in die Militarisierung umschlagen würde. Das schlimmste dabei sei, dass es auch die Kinder treffe, nicht nur weil die Eltern wegen des Kriegs weg seien, sondern auch weil sie alles verlieren würden. „Das ist die Zukunft, die wir eigentlich haben! Wir müssen anfangen über den Frieden zu reden, den Frieden durchzusetzen, um eine sichere Zukunft auch für die Kinder zu haben,“ sagte er im Kurzinterview für das Ausstellungsprojekt „Kriegskinder“ (www.projekt-kriegskinder.de), welches das Thema der Kinder in Kriegen von Erwachsenen hervorhebt. (https://youtu.be/q07drB4FJ6M?si=Vmg2cXrkrzB29xIu)
Auch wenn Sevim Dagdelen (MdB, Mitglied der „Bündnis Sahra Wagenknecht“) nicht auf der großen Bühne gesprochen hatte, hatte sie neben der Bühne viele Interviews gegeben. So auch für das erwähnte Projekt „Kriegskinder“, in dem sie klarstellte: „Jeder Mensch hat das Recht auf Existenz und das Leben. Auf die Existenz im Frieden. Denn der ehemaliger Bundeskanzler Will Brandt hat einst mal richtig gesagt ‚Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles — nichts‘“. (https://youtu.be/KUo4rHaM9CE?si=Jx3Z6jqkUSHUQCEe)
Es gab Kritik, dass es auf der Demo nur vereinzelt Flaggen von Deutschland, Russland oder Palästina gab. Dies war der Auflage geschuldet, keine Landesflaggen zu hissen. Die laut Polizei 10.000 Demonstranten bezogen sich mit Transparenten auf verschiedene Konflikte und Forderungen: So wehten vielfach allgemeingültige Flaggen mit Friedenstaube oder „Peace“-Zeichen, auf Plakaten standen Slogans wie „Frieden schaffen ohne Waffen“. Einige solidarisierten sich mit den Palästinensern oder riefen zum Frieden mit Russland und dem Ende von Sanktionen auf. Vielfach forderten die Teilnehmer auf Plakaten und auch mit Rufen den Austritt Deutschlands aus der Nato sowie die Auflösung des Bündnisses.
In dieser Sache waren sich die Organisatoren und Redner und die Teilnehmer einig — die Initiatoren der Demonstration verurteilen zwar üblicherweise den russischen Einmarsch in die Ukraine, zugleich aber auch die Nato. „Verhandeln heißt nicht kapitulieren, sondern Lösungen für komplizierte Herausforderungen finden.“
„Nicht diejenigen, die 100 Menschen erschossen haben, sondern die, die sich weigern, einen Menschen zu erschießen, sollten geehrt werden,“ rief der langjährige SPD-Politiker Michael Müller in seiner Rede, als er sich dafür aussprach Deserteure aus allen Ländern in der Bundesrepublik aufzunehmen.
Vielfach kritisierten die Redner bei der Kundgebung, dass höhere Militärausgaben nicht zum Frieden führen könnten, sondern Abrüstung und diplomatische Bestrebungen notwendig seien. Die Mehrheit der Gesellschaft wolle keinen Krieg, man müsse diese Haltung aber lauter nach außen tragen.
Demonstrationsteilnehmer wollten zeigen, dass die deutsche Unterstützung für die Ukraine und die Waffenlieferungen an das Kiewer Regime nicht zum Frieden beitragen, sondern das Blutvergießen in dem Kriegsgebiet verlängern. Deutsche Panzer und deutsche Marschflugkörper in der Ukraine stellen uns am Rande des Krieges. Es ist nicht hinnehmbar, dass einfache Deutsche mit ihren Steuern den Massenmord an Kindern und der Zivilbevölkerung in der Ostukraine und auf der Krim finanzieren. Es ist inakzeptabel, dass eine Nation, die die Massenbombardierungen von Dresden, Hamburg und Köln überlebt hat, sich daran beteiligt. Die Teilnehmer hatten gesagt, dass sie nicht das Blut einfacher Menschen an ihren Händen haben wollten.
Zitat der Organisatoren: „Mit der Demonstration am 25.11. können wir auf eine Veranstaltung zurückblicken, die uns zuversichtlich macht, aber nicht übermütig werden lässt. Die vorhandene Vielfältigkeit unter Einhalt von gemeinsamen friedenspolitischen Kernforderungen, die Verbindung von Friedens-, Klima-, Sozial-, Antifaschismus- und Demokratiebewegung müssen nun gestärkt werden. An der Basis, in den Bezirken, in den Betrieben und Hochschulen, überall, wo Menschen zusammenkommen, müssen wir für ein Zusammengehen werben.“
Die meisterwartete Rednerin, nebst Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz, war Dr. Sahra Wagenknecht, die im Januar 2024 die Gründung ihrer eigenen Partei, dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) plant und womit sie einige Linken-Abgeordneten zum Übertritt bewegte. Dies führte dazu, dass die Linken-Fraktion im Bundestag zum 6. Dezember aufgelöst und alle Angestellten der Fraktion entlassen wurden.
Die Rede der umstrittenen Politikerin wandte sich gegen die aktuelle hetzerische Politik ihrer Kollegen, im besonderen des Verteidigungsministers Pistorius, der kurz vor der Demo in einem Interview sagte, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden. Wagenknecht kritisierte scharf diese Wortwahl und die Aufschlüsselung dessen. Sie rief fragend, ob jemand diesem Mann erklären könne, „wie es bisher jedes Mal für Deutschland ausgegangen ist, als es das Handwerk des Krieges beherrscht hat“.
Vielleicht würde es den kriegslüsternen Politikern helfen, sich die Ausstellung „Kriegskinder“ sehr genau anzuschauen, denn sie liefert anschaulich die Antwort auf Wagenknechts Frage — Deutsche Städte lagen zerbombt in Ruin, als es im 20. Jahrhundert wieder das Handwerk des Krieges beherrschte. Bilder konkreter deutscher Städte zeigen die Zerstörung, die die Alliierten nach Deutschland brachten — die Alliierten, mit denen die BRD heute im NATO-Bündnis gemeinsam Krieg in der Welt verbreitet und es, wie es scheint, wieder nach Deutschland zu holen versucht.