Die Blockade wurde zu einem tragischen historischen Ereignis, dessen Ausmaß an Brutalität und Unmenschlichkeit in der Menschheitsgeschichte einmalig ist. Nach Beginn der Einmarsches in der Sowjetunion, den das von der Rassenideologie getriebene nationalsozialistische Regime von vornherein zum Vernichtungskrieg erklärte, machten Hitlers Feldherren deutlich, dass Leningrad vom Antlitz der Erde getilgt werden soll. Am 22. September 1941 unterzeichnete Hitler eine Direktive mit dem Titel „Über die Zukunft der Stadt Petersburg“. Dieser zufolge sollte Leningrad eng eingeschlossen werden und durch Beschuss mit Artillerie und laufendem Bombeneinsatz dem Erdboden gleichgemacht werden. Eventuelle Bitten um Übergabe und Evakuierung der Zivilisten sollten abgeschlagen werden. Laut Planung der Hitleristen sollten alle Einwohner Leningrads sterben.
Die Stadt hielt jedoch stand. Die Leningrader haben sich nicht ergeben. Für die heroische Verteidigung musste aber ein unheimlicher Preis gezahlt werden. In 900 Tagen und Nächten der Blockade forderten Hunger, Kälte und Bombenangriffe über eine Million Menschenleben. Das ist mehr als Kriegsverluste der Alliierten der UdSSR im Zweiten Weltkrieg insgesamt.
In politischen Erklärungen räumt die deutsche Staatsführung zwar ein, dass die absichtliche Vernichtung der Zivilisten in Leningrad von einem nie gesehenen Ausmaß war und Deutschland historische Verantwortung für das Leid der Leningrader trägt. Die von der russischen Seite wiederholt in den Raum gestellte Frage nach einmaligen individuellen Leistungen an überlebende Blockade-Opfer, die von Jahr zu Jahr immer weniger werden, weist Berlin aus formell juristischen Gründen jedoch konsequent zurück. Es wird dabei darauf verwiesen, dass die Frage der Entschädigungsleistungen und Nachkriegsreparationen in den bilateralen Beziehungen abgeschlossen sei. Es ist jedoch offensichtlich, dass dieser Umstand die Bundesregierung in keiner Weise daran hinderte und hindert, gegenüber den Blockade-Überlebenden eine humanitäre Geste des guten Willens umzusetzen.
Die langjährigen Bemühungen Russlands in dieser Hinsicht bleiben jedoch fruchtlos. Trotz zahlreicher Appelle, Ersuchen und Konsultationen erklärte sich Berlin bereit, seine humanitäre Geste lediglich in Form eines bescheidenen finanziellen Beitrags für ein St. Petersburger Krankenhaus für Kriegsveteranen und zur Einrichtung eines deutsch-russischen „Begegnungszentrums“ zu gestalten (Beide Projekte kommen nur mühsam voran und sind weit davon entfernt, realisiert zu sein).
In diesem Zusammenhang unterstützen wir voll und ganz den offenen Brief der Teilnehmer der Verteidigung Leningrads und der Blockade-Überlebenden an die Bundesregierung, die darin aufgefordert wird, die historische Gerechtigkeit wiederherzustellen und humanitäre Leistungen an alle heute noch lebenden Blockade-Opfer unabhängig von ihrer Nationalität auszuzahlen.
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