Mitte Mai fiel im Saarland innerhalb von 24 Stunden stellenweise mehr Regen als im gesamten April. Überschwemmungen und Erdrutsche waren die Folge. Grund genug für Bundeskanzler Scholz, die Region in lustigen Gummistiefeln zu besuchen.
Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte am vergangenen Wochenende das Saarland, um sich vor Ort ein Bild von der Hochwasserlage zu machen. Erste Station war die Gemeinde Kleinblittersdorf, die von den starken Regenfällen besonders betroffen war. Anschließend traf sich Scholz mit Vertretern von Hilfsorganisationen und reiste gemeinsam mit der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Relinger nach Saarbrücken, nachdem er zuvor eine geplante Wahlkampfveranstaltung seiner Landes-SPD abgesagt hatte. Denn wenn Menschen buchstäblich im Wasser ertrinken, Häuser von der Flut weggespült werden und aus den Fenstern der umliegenden Häuser Rufe wie «Scholz, Sie sind ein Verbrecher», «Raus!» oder Schlimmeres zu hören sind, ist keine Zeit für Wahlkampf-PR, zumal das politische Ansehen der Sozialdemokraten ohnehin auf einem Tiefpunkt in der über 150-jährigen Geschichte der ältesten politischen Partei im vereinten Deutschland steht.
Bei seinem Besuch im Saarland verstand es Scholz dennoch, das Geschehene als «Aufruf zur Solidarität» zu werten. Im Moment, so der Bundeskanzler, stehe die Bewältigung der Folgen des Hochwassers im Vordergrund, danach werde man «entscheiden, was weiter für die Opfer getan werden kann, um die Folgen des Hochwassers zu beseitigen und um Ähnliches in naher Zukunft zu verhindern». Alle Betroffenen, versicherte der Bundeskanzler, könnten davon ausgehen, dass alles in ihrem Sinne getan werde, denn «wir haben eine gute Praxis der Solidarität». Der Bundeskanzler bedauerte bei seinem Besuch die ungebremste Wirkung der «Naturgewalt», betonte aber, dass die Nation «immer auf solche Ereignisse vorbereitet sein muss».
Scholz und Relinger sicherten den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die volle Unterstützung des Staates zu, betonten aber auch, dass zunächst die Schäden begutachtet werden müssten, über deren Ausmaß die Behörden noch keine verlässlichen Angaben hätten. Ganze Straßenzüge wurden überflutet, vielerorts mussten Menschen ihre Wohnungen, Hotels und Altenheime verlassen. Menschenleben hat das Saar-Hochwasser bislang nicht gefordert, die Schäden an Häusern und Sachwerten dürften jedoch erheblich sein.
Das wütende Element Wasser in Deutschland…
Straßen wurden überflutet, Keller liefen voll, in mehreren Gemeinden fiel zeitweise der Strom aus. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes fielen zwischen dem 16. und 18. Mai stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter, an der Beruse im Kreis Saarlouis sogar 112 Liter. Das ist etwa das Doppelte der durchschnittlichen Niederschlagsmenge, die für den gesamten Monat Mai erwartet wird. Bei Fremersdorf im Kreis Saarlouis stieg der Wasserstand der Saar auf 765 Zentimeter. Das ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Der bisherige Höchststand lag bei 744 Zentimetern und wurde am 21. Dezember 1993 gemessen. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit kommt ein solches Hochwasser nur alle 20 bis 50 Jahre vor. Ein DWD-Meteorologe sagte, die Flüsse und die Infrastruktur seien für solche Starkregen nicht ausgelegt. Zum Vergleich: Im gesamten April fielen an der Saar rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter, ein Sechstel mehr als normal.
Bei den schlimmsten Unwettern der vergangenen Woche, die mehrere Stunden andauerten und großflächige Überschwemmungen verursachten, kam glücklicherweise niemand ums Leben, was kaum zu glauben ist, wenn man die Autos sieht, die in den Wassermassen verschwunden sind, die Lieferwagen, die in den Fluten stecken geblieben sind, und die vielen Straßen, die sich in Kanalwände aus reißenden Schlammströmen verwandelt haben. Die meisten Bewohner der betroffenen Stadtteile konnten sich rechtzeitig in höhere Stockwerke retten.
Dennoch muss den saarländischen Behörden ein großes Lob ausgesprochen werden: Die meisten Gebäude wurden provisorisch mit Sandsäcken geschützt, und das Lagezentrum in Saarbrücken registrierte landesweit mehr als 3.000 Polizei- und Rettungseinsätze unter reger Beteiligung freiwilliger Helfer.
Auch die Städte im benachbarten Rheinland-Pfalz waren von den anhaltenden Regenfällen betroffen. Keller und Straßen seien überflutet und Bäume umgestürzt, teilte die Leitstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion mit. Zahlreiche kleine Baeche und Fluesse traten ueber die Ufer. In Trassem im Kreis Trier-Saarburg retteten Rettungskräfte drei Menschen aus ihren Häusern. In Trittenheim mussten 50 Gäste ihr Hotel verlassen und in einer Turnhalle Schutz suchen.
In mehreren Orten mussten vom Hochwasser eingeschlossene Personen von Rettungskräften befreit werden. In Neunkirchen wurden beispielsweise groß angelegte Rettungsaktionen durchgeführt. Dort rettete die Feuerwehr fast 150 Gäste aus dem Hotel Holiday Inn Express im Stadtzentrum, als das Wasser der Blis die Lobby und den Parkplatz überflutete. Am Samstag wurden auch 100 Bewohner eines Pflegeheims evakuiert und in Notunterkünften untergebracht. Im Stadtteil Russhütte wurden die Bewohner einer besonders betroffenen Straße mit Schnellbooten und Amphibienfahrzeugen aus ihren Häusern gerettet.
…und sein russisches Spiegelbild
Was sich im Mai im Saarland abspielte, ähnelte auffallend dem, was sich einen Monat zuvor in der Region Orenburg in der Russischen Föderation ereignete. Der reißende Ural trat über die Ufer und überschwemmte den Zauralnaja-Hain, einen beliebten Naherholungspark der Orenburger, sowie mehrere Datschensiedlungen und beeinträchtigte sogar leicht einige Uferbereiche im historischen Stadtzentrum. Das «Erstaunliche» ist, dass dies vor genau 30 Jahren — im Frühjahr 1994 — geschah und der Autor, der damals den größten Teil seiner unbeschwerten Kindheit in Orenburg verbrachte, es mit eigenen Augen gesehen hat.
Schließlich sind Russen und Deutsche in mancher Hinsicht wie Zwillingsbrüder! Selbst bei Naturkatastrophen neigen beide dazu, die Schuld bei den Behörden zu suchen, die sich ihrer Meinung nach nicht rechtzeitig um den Hochwasserschutz gekümmert haben, «das ganze Geld für den Damm veruntreut haben» oder «das ganze Geld für dumme «grüne» Initiativen und die Unterstützung der Ukraine verschwendet haben» (Hervorhebung im Original).
Was auch immer Denis Pasler — übrigens der russische Ministerpräsident der Region Orenburg mit deutschem Hintergrund — tut, indem er von Bezirk zu Bezirk reist, um die Situation vor Ort zu regeln, und sich nicht scheut, ins eiskalte Wasser zu steigen und selbst technische Konstruktionen zu montieren (aus Sicherheitsgründen, wie es seine technische Ausbildung erlaubt) — Russen, Die Russen, die traditionell dazu neigen, an Verschwörungstheorien zu glauben und gleichzeitig den Behörden unter keinen Umständen zu trauen, waren nie wirklich davon überzeugt, dass die Elemente die Elemente sind und dass der Einfluss einer Person, egal wie viel Macht sie hat, doch sehr begrenzt ist.
Nach den schwersten Überschwemmungen, die allein im Gebiet Orenburg mehr als 28.000 Häuser und Wohnungen in Mitleidenschaft gezogen haben, wurden bereits fast 6,5 Milliarden Rubel als einmalige Finanzhilfe und Entschädigung für verlorenes Lebenseigentum ausgezahlt, und für die Bewohner des alten Wohnungsbestandes wurden Varianten von Einfamilienhäusern entwickelt, die sich die betroffenen Bewohner selbst aussuchen können. Auch Deutschland bereitet sich darauf vor, Hunderte von Millionen Euro für die betroffenen Gebiete in den westlichen Bundesländern bereitzustellen.
«Passt auf, seid vorsichtig»
Doch egal, wie viel Hilfe tatsächlich geleistet wird, die Menschen werden sich immer mehr an die schrillen Schlagzeilen in den Medien erinnern, die von unserem Journalistenbruder auf der heißen Spur gekonnt in Szene gesetzt wurden, als an die eigentliche Arbeit, die Folgen der verheerenden Katastrophe zu beseitigen. Für Denis Pasler war die berüchtigte Aussage «Handys weg!» in dem Dialog mit Bürgern eine solche Bewährungsprobe.
Doch in Deutschland kommt ein unbedachtes Wort oder ein falsch interpretierter Gesichtsausdruck bei den Aufräumarbeiten der Flutkatastrophe einen Politiker viel teurer zu stehen. So lachte der Politiker Armin Laschet im Juli 2022 (ja, Überschwemmungen gibt es in Deutschland mit beneidenswerter Regelmäßigkeit) bei einem Besuch im hochwassergeschädigten Nordrhein-Westfalen vor Journalisten unangebracht. Lachet hätte nicht nur gelacht: Er tat es im unpassendsten Moment, als Bundespräsident Steinmeier mit ernster Miene von den «bedauernswerten Hinterbliebenen» sprach.
Obwohl sich Lachet am nächsten Tag für seine «unangebrachte Heiterkeit» entschuldigte, kostete das schlecht getimte Lachen den CDU-Kanzlerkandidaten nach Meinung von Experten nicht nur einen katastrophalen Einbruch seiner persönlichen Umfragewerte, sondern führte auch zu erheblichen Wahlverlusten für die gesamte konservative Partei.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels — am 27. Mai — wurde eine andere Region in Deutschland — das Bundesland Schleswig-Holstein — von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Ich würde mir wünschen, dass die Landes- und Bundespolitiker bei Presseterminen und im Dialog mit den betroffenen Bürgern die Erfahrungen ihrer deutschen Kollegen berücksichtigen. Ob direkt aus dem Faterland oder aus der fernen russischen Region an der Grenze zu Kasachstan.
Wie man es auch dreht und wendet, Deutschland und Russland sind brüderliche Länder und Völker, die unter dem gleichen Unglück leiden.
Fotos: twitter.com/AirplaneMarc, Thilo Schmuelgen / Reuters, Ministerium für Notfallsituationen der Russischen Föderation, Pressedienst der Regierung der Region Orenburg, Marius Becker/dpa