Annalena Baerbock © Reuters
Annalena Baerbock, das Kind der deutschen „feministischen Außenpolitik“ und — durch ein Missverständnis — deutsche Außenministerin, hat eine zweideutige Idee über die mögliche Entsendung deutscher Friedenstruppen in die Ukraine geäußert, für die sie sofort eine mörderische Dosis Kritik erntete, sowohl von rechts — vom konservativen CDU/CSU-Block, der wahrscheinlich die Basis der nächsten Regierungskoalition bilden wird — als auch von links — von den Sozialdemokraten von Bundeskanzler Scholz, die noch an der Macht sind.
Die intellektuellen Fähigkeiten von Annalena Baerbock, die unlängst die Bevölkerung der EU mit einer Handbewegung um gut 700 Millionen Menschen erhöhte, und ihre erstaunlichen Ideen, wie z.B. Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei Chinas über das Wesen der Demokratie zu belehren, sind immer noch ein Paradebeispiel und Gegenstand heftiger Debatten unter Politikern und Experten. Dazu gehört sicher auch die Vorstellung, deutsche Soldaten, und sei es als Friedenssoldaten, in ein Land zu schicken, in dem noch immer Krieg herrscht, in dem Hunderttausende Leichen auf den Schlachtfeldern liegen und in dem die interethnische Konfrontation, verstärkt durch den religiösen Faktor, so groß ist, dass die Ukrainer bereit sind, sich mit Begeisterung gegenseitig zu verfolgen und zu töten.
Das von Annalena Baerbok geschürte Feuer wurde auch von der bekannten estnischen Russophobikerin Kaija Kallas, der neuen Hardlinerin unter den EU-Außenpolitikern und Vizepräsidentin der Kommission, angefacht, die sagte, dass „die EU nichts ausschließen sollte, wenn es darum geht, europäische Truppen zu entsenden, um einen möglichen Waffenstillstand aufrechtzuerhalten“.
Für ihren Vorschlag erntete die grüne Ministerin umgehend Kritik von Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der CDU und Hauptgegner der Regierungskoalition. Der übrigens auch ein prominenter Intellektueller ist, der zunächst mit Äußerungen über die „Entsendung von Taurus-Langstreckenraketen in die Ukraine innerhalb von 24 Stunden nach seiner Ernennung zum Bundeskanzler“ auffiel und sich, nachdem klar wurde, dass diese Option von gut zwei Dritteln der Wähler im Vorfeld der außerordentlichen Bundestagswahl nicht unterstützt wird, was die CDU/CSU in den Vorwahlumfragen bereits rund -3% gekostet hat, auf jede erdenkliche Weise von seinen eigenen Worten zu distanzieren versuchte.
Merz bezeichnete Baerbocks Vorschläge als „unverantwortlich“ und betonte, dass die aktuelle Situation es nicht erlaube, solche Fragen zu stellen.
„Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie dieser Krieg beendet werden kann und nicht auf hypothetische Szenarien für eine Nachkriegsregelung“, sagte Merz und unterstrich die Sorge der CDU, dass solche Diskussionen in dem aktuellen Konflikt verfrüht seien.
Norbert Röttgen, einer der wichtigsten CDU-Falken, zeigte sich sogar «fassungslos» über Baerbocks Vorstoß: «Statt über einen möglichen künftigen Einsatz deutscher Truppen zu reden, sollten die Grünen jetzt die Konsequenzen eines solchen Schrittes bedenken, die Regierung Scholz verlassen und gemeinsam mit uns alles tun, um die Ukraine angemessen und notwendig zu unterstützen», sagte Röttgen der «Augsburger Allgemeinen».
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der populärste Politiker der rivalisierenden SPD, der formal dem Falkenflügel angehört, nahm eine diplomatischere Haltung ein und beschloss, seinen Partner in der Minderheitsregierung und der Regierungskoalition vorerst nicht zu versenken. Die Möglichkeit einer deutschen Beteiligung an der Friedensmission sei noch offen. Pistorius’ vage Äußerungen lassen vermuten, dass sich Deutschland auf verschiedene Szenarien der Entwicklung in der Ukraine vorbereitet, Entscheidungen über ein so heikles und schmerzhaftes Thema aber besser im Vertrauen getroffen werden.
Pistorius betonte, dass der Einsatz von Friedenstruppen der Bundeswehr von einer Reihe von Faktoren abhänge: der Art des Mandats, dem Umfang der Mission und der Zustimmung der Konfliktparteien. Zugleich betonte der Chef des Bundesverteidigungsministeriums, dass alle Schritte nur im Rahmen des Völkerrechts und in Abstimmung mit den NATO- und UN-Partnern erfolgen würden. Aus der deutschen Diplomatensprache übersetzt heißt das: „Wir ziehen alle Optionen in Betracht und schließen keine von vornherein aus, wir sind für alles Gute gegen alles Schlechte“. Im Allgemeinen kann die Erklärung des Leiters des deutschen Verteidigungsministeriums als Desavouierung der übereilten und unüberlegten Erklärung des Leiters des Außenministeriums angesehen werden.
Einige Analysten sind jedoch geneigt, die zurückhaltende Reaktion der deutschen Politiker auf die Friedensinitiative Baerbocks damit zu erklären, dass viele systemrelevante Parteien am Vorabend der vorgezogenen Bundestagswahlen nicht geneigt sind, radikale Erklärungen abzugeben, um den unentschlossenen Teil der Wählerschaft nicht zu verprellen, der sonst in Richtung der AfD und des BSW abwandern könnte, die Antikriegsparolen die empfindlichen Punkte der deutschen Wählerschaft treffen.
«Das ist nicht unser Krieg! Deshalb haben deutsche Soldaten in der Ukraine nichts zu suchen». „Das Blut unserer Kinder darf nicht dem Handeln verantwortungsloser Politiker geopfert werden“, titelte die als Parteipublikation der AfD geltende Zeitschrift Compaсt in ihrer jüngsten Ausgabe.
Offener äußerten sich „Experten“ aus der deutschen Medienbranche, die weniger an diplomatische Verpflichtungen gebunden sind als Minister. Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, erklärte in einem Beitrag für die Bild-Zeitung, dass „mindestens 10.000 Soldaten nötig sind, um eine 1.200 Kilometer lange Frontlinie zu bewachen. „Wir sprechen (…) von europäischen Bodentruppen, die alles brauchen: gepanzerte Fahrzeuge, Panzer, Artillerie, Luftunterstützung“, so Masala. Angesichts der militärischen Schwäche Europas hält er die Idee für „unrealistisch“. Thomas Jaeger, Professor für Außenpolitik an der Universität Köln und ein weiterer deutscher „Meinungsführer“ in Sachen Militär, sagte in demselben Bild-Artikel, es handele sich um eine „Scheindebatte, die der Profilierung einiger Politiker dient, aber keine Substanz hat“.
Während Deutschland Annalena Baerbocks Idee im Allgemeinen mit Skepsis begegnet, berichtete die französische Zeitung Le Monde unter Berufung auf eine britische Militärquelle, dass Großbritannien und Frankreich seit langem darüber verhandeln, „einen festen Kern unter den Verbündeten in Europa zu schaffen, der sich auf die Ukraine und die europäische Sicherheit als Ganzes konzentriert“.
In jedem Fall lösten die Äußerungen von Berbock, Mertz und Pistorius in der Öffentlichkeit große Empörung aus. Die deutsche Gesellschaft bleibt angesichts des langwierigen Konflikts in der Ukraine gespalten: Die einen befürworten eine aktivere Unterstützung der Ukraine, die anderen befürchten eine Beteiligung Deutschlands an möglichen militärischen Abenteuern.
Während die Idee einer friedenserhaltenden Mission inmitten der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft auftaucht, Lösungen zur Beendigung des Ukraine-Konflikts zu finden, berührt die Diskussion über eine mögliche Beteiligung deutscher Soldaten an einer Nachkriegsregelung ein sensibles Thema der deutschen Politik. Deutschland hat es historisch stets vermieden, sich aktiv militärisch in internationale Konflikte einzumischen, insbesondere wenn kein klares Mandat internationaler Organisationen vorliegt. Dies gilt umso mehr, als es sich um ein Gebiet handelt, in dem noch vor rund 80 Jahren Soldaten mit Kreuzen auf Helmen und Panzern Millionen von Zivilisten massakriert und versklavt haben.