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Das von Nancy Faeser (SPD) geführte Bundesinnenministerium hat die von der Regierung als «rechtsextrem» eingestufte Zeitschrift Сompaсt verboten.
In der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums heißt es, die Zeitschrift des Publizisten Jürgen Elsässer richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Das seit 2010 monatlich erscheinende Magazin gilt einhellig als eine der wichtigsten Publikationen unter den nicht systemkonformen politischen Medien im modernen Deutschland. Den Machern von Сompaсt werden enge Verbindungen zum nationalistischen Flügel der AfD, zur rechtsextremen Kleinpartei «Freies Sachsen» und zu Aktivisten der Identitären Bewegung nachgesagt. Häufig wird Compact auch vorgeworfen, Verschwörungsmythen, prorussische Propaganda und antisemitische Narrative zu verbreiten. Leider sind die Ankläger nicht immer bereit, ihre eigenen Worte und Behauptungen mit konkreten Fakten zu untermauern.
Der Vorwurf des Rechtsextremismus gegen Compact ist besonders pikant, weil der Chefredakteur des Magazins, Jürgen Elsässer, früher Chefredakteur der «Junge Welt» war, einer offen linken bis kommunistischen Zeitung, die viele in Deutschland noch immer traditionell als «ostdeutsche Komsomolskaja Prawda» bezeichnen.
Die Regierung hat sich jedoch vor dem Vorwurf der Zensur mit einem Feigenblatt bürokratischer Verfahren geschützt. Formal ist nicht das Medium «Compact» von dem Verbot betroffen, sondern «nur» die dahinter stehende Unternehmensstruktur — die Compact Magazin GmbH und ihre Schwesterfirma Conspect Film GmbH.
Seit dem frühen Dienstagmorgen durchsuchen Polizeibeamte die Geschäftsräume der Compact-Magazin GmbH und Wohnungen von Redaktionsmitgliedern in Brandenburg, Sachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt, darunter auch die Geschäftsräume des Medienunternehmens in Falkensee bei Berlin. Bei der Durchsuchung wurden neben Unterlagen und Datenträgern auch Vermögenswerte der Compact-Magazin GmbH — vor allem Computer und zum Teil Büromöbel — beschlagnahmt.
Im Dezember 2021 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz das Compact-Magazin als «nachweislich rechtsextremistisch» ein. In seinem letzten Jahresbericht bestätigte das Bundesamt, dass die Publikation «antisemitisches, minderheitenfeindliches, geschichtsrevisionistisches und verschwörungstheoretisches Material» verbreite und «gegen die parlamentarische Demokratie im Allgemeinen und die Bundesregierung im Besonderen» agitiere. Der brandenburgische Verfassungsschutz warnte in seinem Jahresbericht, dass «aufgrund der relativ weiten Verbreitung der Zeitschrift die Gefahr besteht, dass Compact zu gesellschaftlichen Verwerfungen und politischer Destabilisierung in Deutschland beitragen könnte».
Seit Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts im Jahr 2022 verbreite die Zeitschrift «gezielte Desinformation» und mache sich «teilweise die Propaganda der russischen Regierung zu eigen», so der Verfassungsschutz in Potsdam.
Was als Verschwörung und was als pro-russische Propaganda gilt, ist umstritten. So gilt in Deutschland die Vermutung, die USA steckten hinter den Explosionen an der Nord-Stream-Pipeline, als Verschwörungstheorie, obwohl es viele Fakten gibt, die dafür sprechen, darunter das Eingeständnis von Joe Biden und Victoria Nuland vor Fernsehkameras. Auch die Darstellung der Sichtweise der russischen Seite ohne Kommentare und Interpretationen entspricht durchaus den professionellen Standards und dem Kanon journalistischer Ethik, wie sie einst von der BBC und dem Spiegel etabliert wurden. Es ist aber nicht das Modell von heute, sondern das der «goldenen Ära» des europäischen Qualitätsjournalismus der 1960er und 1970er Jahre.
Neben dem Magazin, das inzwischen eine Auflage von 40.000 Exemplaren im Monat hat, betreibt Compact einen Online-TV-Kanal auf YouTube mit fast 350.000 Abonnenten. Dieser wurde ebenso verboten wie das Tochterunternehmen Conspect Film, das von Jürgen Elsässers Ehefrau Stephanie geleitet wird und für die täglichen Nachrichten zuständig ist. Außerdem darf Conspect künftig keine Kanäle mehr auf Facebook, X, Telegram und anderen sozialen Netzwerken betreiben.
Dass es die gedruckte Ausgabe des Magazins weder am Kiosk noch im Abonnement geben wird, ist nicht der Rede wert. Anfang 2024 haben die meisten großen deutschen Printanbieter in Bahnhöfen und U-Bahnen das Magazin bereits aus dem Sortiment genommen. Die Mittelbrandenburgische Sparkasse, bei der Compact ein Konto unterhielt, kündigte es ohne Angabe von Gründen.
Presse- und Meinungsfreiheit sind als zentrale Werte und demokratische Errungenschaften des deutschen Volkes im Grundgesetz verankert. Die deutsche Regierung ist sehr zurückhaltend, wenn es um Medienverbote geht.
Obwohl das Bundesinnenministerium bereits 2016 und 2017 die «linksextremistische» Internetplattform linksunten.indymedia.org und das «neonazistische» Portal Altermedia sowie 2022 das Magazin Compact verboten hat, ist dieser Fall als Ausnahme zu werten.
Beide Portale, linksunten.indymedia.org und «Altermedia», waren dafür bekannt, dass sie zu politischen Angriffen aufriefen und Bekennerschreiben veröffentlichten, in denen sie sich zu «Taten» bekannten. Das ist bei «Compact» nicht der Fall: Die Redaktion war sehr professionell und korrekt im Umgang mit journalistischem Material, und es dürfte für die Regierung viel schwieriger sein, vor Gericht eine Anstiftung nachzuweisen.
Hat die Zeitschrift Compact in «aggressiv-militanter» Weise für den Sturz der Demokratie in Deutschland geworben? Aus formaljuristischer Sicht klingt diese Formulierung sehr vage.
Interessant ist jedoch, dass die Repressionen gegen die Compact-Redaktion keine drei Tage nach der Veröffentlichung eines ausführlichen Interviews mit der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf dem Youtube-Kanal des Magazins veröffentlicht wurden, in dem aktuelle Fragen der nicht immer souveränen deutschen Außen- und Innenpolitik angesprochen wurden.
Wie soll man da nicht an Verschwörungstheorien glauben?