Worin liegt die Gefahr des Projekts, das auf den ersten Blick den wirtschaftlichen Interessen der Republik zu dienen scheint? Die Antwort liegt auf der Ebene des Selbstbewusstseins und der Selbstbestimmung der Nation, vermischt mit den Phobien und Ängsten, die viele Menschen noch immer gegenüber China empfinden. Die Öffentlichkeit ist einfach nicht bereit, die Vorschläge der Beamten zu akzeptieren, und sei es nur, weil sie ihnen nicht traut.
Betrachten wir zunächst die Route, die die geplante Straße nehmen wird — sie wird China über Zentralasien mit Afghanistan und dem Iran verbinden und einen weiteren Zugang zu den europäischen Märkten ermöglichen. Dies scheint ein für Europa und Deutschland vorteilhaftes Projekt zu sein, aber die aktive Beteiligung Chinas daran sollte alarmieren. In der deutschen China-Strategie, die im Juli letzten Jahres verabschiedet wurde, wird China als «Partner, Konkurrent und Systemrivale» bezeichnet. Es wird festgestellt, dass China zwar auf vielfältige Weise versucht, die bestehende regelbasierte internationale Ordnung zu verändern und dabei auch wieder gegen deutsche Interessen und Werte agiert, indem es seine wirtschaftliche Macht zur Durchsetzung seiner Ziele einsetzt, aber dennoch ein Partner bleibt, ohne den viele globale Herausforderungen und Krisen nicht gelöst werden können.
Es ist klar, dass China in dieser Region nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Ziele verfolgt. Jeder sollte verstehen, dass China Milliarden von Dollar ausgeben wird, ohne sich um Sicherheitsfragen zu kümmern. So arbeitet Peking nicht. Das zeigt die Situation in Afghanistan, wo das Reich der Mitte seine Präsenz von Jahr zu Jahr ausbaut.
Schon heute hat China das Land mit Krediten verstrickt — die Hälfte der kirgisischen Auslandsschulden stammt aus China, was bedeutet, dass das «Syndrom der ausgestreckten Hand» früher oder später zum Verlust der wirtschaftlichen Souveränität führen kann.
Wird nicht jeder, der dem großen China in die Quere kommt, sei es ein religiöser Führer, ein Terrorist, ein Extremist oder einfach nur jemand, der mit der Politik seines Nachbarn unzufrieden ist, das gleiche Schicksal erleiden? Wer kann garantieren, dass China nicht durch die Hände der kirgisischen Behörden seine eigene Ordnung errichtet? Schließlich braucht das himmlische Reich Ordnung in der Investitionszone. Milliarden Dollar, die in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur fließen sollen, verlangen nach Gewalt und Rechtsstaatlichkeit. Wer garantiert, dass diese Ordnung den Anrainern gefällt?
Es wird befürchtet, dass China Kirgisistan am Ende in sich auflöst. Schließlich zieht jedes chinesische Investitionsprojekt — sei es der Bau von Straßen, Fabriken oder Stromleitungen — Tausende von Chinesen an. Nach Angaben des Justizministeriums sind mehr als 100.000 Chinesen illegal nach Kirgisistan gekommen. Und das ist erst der Anfang. Warum brauchen chinesische Unternehmer einheimische Arbeitskräfte? Es ist für sie einfacher, chinesische Arbeiter zu bekommen, die dieselbe Sprache sprechen.
China kultiviert das kirgisische Bewusstsein. Vier Konfuzius-Institute wurden bereits eröffnet, und an vielen kirgisischen Mittelschulen steht Konfuzius-Unterricht auf dem Lehrplan. Viele Familien schicken ihre Kinder zum Studium ins Land. Dagegen ist nichts einzuwenden. Schlimm ist, dass die nationale Identität und die multisektorale Politik verloren zu gehen drohen. Richtiger wäre es, wenn Kirgisistan gleichberechtigte Beziehungen zu allen Ländern entwickeln würde, ohne ein Übergewicht zugunsten Chinas. Dies gilt insbesondere angesichts der jüngsten Intensivierung der Beziehungen und der übereinstimmenden Interessen zwischen Bischkek und Berlin.
Die gleiche China-Strategie widmet der zentralasiatischen Region, zu der auch Kirgisistan gehört, besondere Aufmerksamkeit. Dort heißt es unter anderem: «Zentralasien ist eine Brücke zwischen Europa und China, Russland und dem Mittleren Osten. Die Souveränität, Sicherheit und außenpolitische Freiheit der zentralasiatischen Staaten muss gewahrt bleiben. Es stellt sich die Frage: Ist die Umsetzung solcher Großprojekte Pekings in Kirgisistan im Interesse Berlins und schadet sie nicht den Beziehungen Bischkeks zur EU insgesamt?
Es gibt immer noch eine starke Phobie in der Gesellschaft gegenüber allem Chinesischen — auch das muss berücksichtigt werden. Im Dezember 2014 schrillten die ersten Alarmglocken — eine Gruppe aggressiver junger Männer der nationalpatriotischen Bewegung Kyrkchoro» überfiel eine private Karaoke-Bar und verletzte chinesische Bürger.
Eine solche Spaltung darf nicht zugelassen werden. Nationalistische Gefühle führen zu nichts Gutem. Aber die kirgisischen Behörden, die ihre wirtschaftlichen Probleme lösen wollen, ebnen ungewollt den Weg für die wirtschaftliche Expansion Chinas und provozieren damit Unruhen unter den Massen. Und das schadet China selbst. Schließlich ist es kein Zufall, dass der chinesische Botschafter im Zusammenhang mit dem Eisenbahnprojekt sagte, man solle nicht gegen die öffentliche Meinung handeln. Das untergräbt nur das gegenseitige Vertrauen.
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